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Judentum

1848: Volkszorn um Holz und Pacht in Hochberg (1848er-Revolution Teil 3)

1848: Volkszorn um Holz und Pacht in Hochberg (1848er-Revolution Teil 3)

Im Juli 2023 hatten wir darüber berichtet, dass es im Juli 1848 zu Spannungen zwischen Juden und Christen in Hochberg kam. Was war der Hintergrund?
Es ging um die Überführung alter ortsherrschaftlicher Regelungen aus der Zeit der Reichsritterschaft in württembergische Staatsregelungen: 1710 war zurzeit der Herren von Gemmingen den Hochbergern das Recht eingeräumt worden, Brennholz aus dem Hochberger Wald zu sammeln. 1848 war Hochberg inzwischen württembergisch und der Staat wollte den Wald abstoßen: Ein Teil des Waldes sollte der Gemeinde übergeben werden, die ihn dann abholzen, zu Ackerland verwandeln und an die Bürger verpachten wollte. Die Hochberger wollten nun als Gegenleistung für das aufgegebene Holzsammelrecht eine unentgeltliche oder niedrige Pacht haben. Hierüber konnte man sich lange Zeit nicht einigen. Auch jüdische Hochberger wollten an die potenziellen neuen Ackerflächen kommen und das war alteingesessenen christlichen Hochbergern ein Dorn im Auge. Vor 1828, dem Jahr des württembergischen Israelitengesetzes, durften Juden noch gar nicht in der Landwirtschaft tätig sein und traten jetzt als Konkurrenten um Land auf. Da kam dann das Argument auf, dass es zur Zeit der Stiftung der Holzgabe 1710 noch gar keine Juden in Hochberg gegeben habe. Da es sich um die Umwandlung eines alten Rechtes handele, dürften die später zugezogenen Juden hiervon nicht profitieren, hieß es. Schließlich sei der erste Jude Abraham Gideon erst 1760 in den Ort gekommen. Um diese Frage scheint es im Juni/Juli 1848 zu einer Eskalation im Ort zwischen Juden und Christen gekommen zu sein. Der Konflikt hat sich aber im Laufe der Monate zunehmend auf Bürgermeister Döbele und den Gemeinderat in Hochberg verlagert.
In Hochberg lief ein Prozess ab, der damals ganz typisch für Württemberg war: Seit Anfang des 19. Jahrhunderts übertrug der Staat immer mehr Wälder den Gemeinden. Da diese finanziell schlecht ausgestattet waren, ging man im neuen Gemeindewald überall zu einer ökonomischen Waldbewirtschaftung über und beschnitt alte Waldnutzungsrechte. Holz war in vorindustrieller Zeit aber der Hauptenergieträger und damit grundlegend für das Heizen und Kochen. Die Beschneidung alter Holzrechte war somit der „Heizungshammer“ der Jahre vor 1848 und erzeugte großen Groll in der Bevölkerung gegen die Schultheißen und Gemeinderäte in ganz Württemberg. Bis August 1848 wurden 353 von 1896 Schultheißen in Württemberg aufgrund des Volkszorns zum Rücktritt gezwungen, sehr häufig im Streit um Holzrechte – eine württembergische Besonderheit in der 1848er-Revolution.
In Hochberg ärgerte man sich dazu noch über den „Frongulden“, der als Ersatz für die fortgefallene Frondienstplicht gegenüber den früheren Ortsherren durch die Württemberger als jährliche Einmalzahlung eingeführt worden war. Zum Symbol der verhassten Staatsmacht wurde der Hochberger Schultheiß und sein Gemeinderat aber vor allem, weil die meisten Hochberger Bauern nicht Besitzer, sondern Pächter ihres Landes waren. Als Rechtsnachfolger der alten Ortsherrschaft war der württembergische Staat zunächst der Hauptlandbesitzer auf Hochbergs Gemarkung. Erst mit der Zeit wurde das Land an die Einwohner abverkauft. Bis dahin war Württemberg der Verpächter. Vertraglich war geregelt, dass bei Nichtzahlung der Pacht die Gemeindekasse haften musste. Schulheiß und Gemeinderat hatten somit die undankbare Rolle, als Inkassounternehmen für die Württemberger aufzutreten, wenn die Gemeindekasse nicht klamm werden sollte.
Verwalter der Hochberger Gemeindekasse war aber Abraham Herz, der als erster Jude in Württemberg 1845 in das Amt des Gemeindepflegers gewählt worden war. Das Amt des Gemeindepflegers war wiederum mit einem Sitz im Gemeinderat verbunden. Projektionsflächen für Hass waren somit Schultheiß Döbele, Gemeindepfleger Herz und die damals auf Lebenszeit (!) gewählten Gemeinderäte. Abraham Herz stand aber nicht als Jude mit im Zentrum des Konflikts, sondern als Verwalter der Kasse.

Zeichnung: aus: Eulenspiegel. Ein Volks- Witz und Carricaturen-Blatt. Erster Band, Januar – Juni 1848, Nr. 12 vom 18. März 1848, S. 48. Abgedruckt bei  Birgit Bayer: Ich bleibe nicht mehr über Nacht Schultheiß! Die Bewegung gegen die Schultheißen in Württemberg im Frühjahr 1848, Frankfurt/M. 2006, S. 15. 

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