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Judentum

Hochberger Bürgerkrieg September 1848 bis April 1849 (1848er-Revolution Teil 4)

Hochberger Bürgerkrieg September 1848 bis April 1849: (1848er-Revolution Teil 4)

Letzte Woche hatten wir die Hintergründe der Spannungen im Juli 1848 in Hochberg offengelegt. Es ging um Pachtfragen und alte Holzrechte. Im Zentrum der Kritik standen Schultheiß Döbele, der jüdische Gemeindepfleger Abraham Herz und der Gemeinderat.
Zum ersten Mal war am 9. Juni 1848 nachts auf das Schlafzimmer von Schultheiß Johann Georg Döbele geschossen worden. Der Täter konnte nicht ermittelt werden. Das Oberamt Waiblingen verlegte darauf einen Landjäger nach Hochberg, der als Leibwache des Bürgermeisters diente. Die nächsten drei Monate blieb es ruhig. Daher wurde der Landjäger am 15. September wieder abgezogen. Kaum war das geschehen, begann der „Hochberger Bürgerkrieg“ (Wolfgang Streng): Erneut kam es zu einem Anschlag auf den Schultheißen: Ein verkleideter Mann drang mit einem großen Messer in sein Haus ein und konnte nur mit Mühen verjagt werden. 20 Mann bewachten künftig das Haus Döbeles in Schichten auf Befehl des Oberamtes. Da das Haus nun kein geeignetes Ziel mehr war, verlegten die Täter sich auf die Verwüstung von Weinbergen und Obstwiesen, die Schultheiß Döbele und Gemeindepfleger Herz gehörten. Anfang März 1849 wurden Döbele sechs Apfelbäume zerstört, Ende März neun Obstbäume und Mitte April nachmals ein Apfelbaum. Den Höhepunkt erreichten diese Aktionen Ende April 1849. In der Nacht vom 26. auf den 27. April brannten 3000 Weinbergpfähle Döbeles, die Obstwiesen des Abraham Herz wurden verwüstet und Strohhaufen sowohl im Neckartal als auch am Bittenfelder Weg wurden angezündet. Das Oberamtsgericht Waiblingen übernahm die Ermittlungen und am 1. Mai 1849 erschien hierzu ein Artikel im Waiblinger Intelligenz-Blatt.

Dem Gemeinderat Vollmer, der die Wache um Döbeles Haus organisierte, warf man nachts die Fensterscheiben seines Hauses ein, was genügte, ihn zum Rücktritt als Gemeinderat zu bewegen. Auch Gemeinderat Dohl erklärte laut Gemeinderatsprotokoll, dass „der größte Teil der hiesigen Einwohner verlange, die alten Gemeinderäte sollten austreten, und deshalb, wie ich weiß, eine Schrift verfasst worden ist, überhaupt derzeit allerlei Schmähungen durchzumachen ist, so lege ich meine Stelle nieder.“ Schlosser Walter nannte im Gasthaus Löwen öffentlich Schultheiß und Gemeinderäte „Spitzbuben, Dackel und Esel“, was ebenfalls im Gemeinderatsprotokoll notiert wurde.

Offensichtlich war den Tätern am 26. April noch nicht bekannt, dass Schultheiß Döbele drei Tage zuvor aufgegeben hatte. Am 23. April 1849 ist im Gemeinderatsprotokoll von ihm zu lesen: „Obschon die Geschäfte sehr viel und die Besoldung sehr klein war, so waren doch meine Geschäfte immer sehr sorgfältig auf dem Laufenden. Die unruhigen Zeitverhältnisse von 1848/49 haben auch hier unruhige Vorfälle hervorgebracht, allerlei geheime Verwüstungen kamen vor. Es waren Leute vorhanden, welche mir nach dem Leben und Amte trachteten. Die Heimsuchungen gegen mich wurden immer größer, und aus diesem Grunde habe ich meine amtliche Stelle niedergelegt. Im Ganzen war ich 26 Jahre im Amt, und was ist jetzt mein Lohn dafür? Nichts als Undank. Ich tröste mich aber mit dem, dass der höhere Richter diejenigen heimsuchen werde, die mich zu sehr verfolgt haben, denn der Herr hat gesagt, die Rache ist mein, ich will vergelten. Das beurkundet am 23. April 1849 Johann Georg Döbele Schultheiß und Ratsschreiber von hier.“

Man merkt, dass Döbele vor Zorn bebt und sich zu Unrecht verfolgt fühlt. Offensichtlich war der Rücktritt aber genau das, was die Bevölkerung erreichen wollte, denn schlagartig trat Ruhe in Hochberg ein. Am 20. August 1849 wurde der gesamte Gemeinderat wie in ganz Württemberg neu gewählt. In Hochberg verband man das gleich mit der Neuwahl eines Schultheißen.

Der ganze Ablauf zeigt, dass es sich bei den Hochberger Unruhen 1848/49 um einen klassischen württembergischen Kommunaltumult handelt, wie er im Frühjahr 1848 inzwischen vielfältig nachgewiesen wurde. Die Schultheißen und Gemeinderäte waren die eigentlichen Buhmänner. In Hochberg erfolgten die Rücktritte nur zeitverzögert 1849 und nicht 1848 wie sonst in Württemberg. Nach diesen Einblicken scheint es falsch zu sein, die Ereignisse in Hochberg 1848/49 als Gesamtes in die Kategorie „antijüdische Krawalle“ (Stefan Rohrbacher) einzuordnen. Nur kurz wurde die jüdische Gemeinde im Juni/Juli 1848 in den Konflikt hineingezogen. Abraham Herz wurde nicht als Jude, sondern als Gemeindepfleger angefeindet.

Foto: Intelligenz-Blatt Oberamt Waiblingen, 1. Mai 1849 (Kreis-Archiv Rems-Murr)

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