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Judentum

Sabbatschranken in Hochberg

Sabbatschranken in Hochberg

Zu den 39 Arbeiten, die am Sabbat Juden nicht erlaubt sind, zählt das Tragen. „Tragen“ wird genau definiert: Es ist der Transfer eines Objekts vom privaten in den öffentlichen Bereich, das Bewegen eines Gegenstandes im öffentlichen Bereich oder zwischen zwei privaten Bereichen. Das Bewegen eines Gegenstandes im eigenen privaten Bereich ist kein Tragen. Um das Leben am Sabbat zu erleichtern, kann man den privaten Bereich aller jüdischen Wohnhäuser durch Umspannen mit einer Schnur oder einem Draht auf Masten oder Säulen vereinen: Das Gebiet innerhalb dieser Sabbatschranke (Eruv) ist dann ein einziger privater Bereich und Gegenstände können dort auch am Sabbat getragen werden. Die Menschen innerhalb dieses Bereiches gehören damit zu einem großen privaten Bereich und damit erklärt sich auch die Bedeutung des Wortes Eruv: Mischung.
Ein Eruv ist einerseits ein Hinweis auf eine orthodoxe jüdische Gemeinde, die die Halacha, das jüdische Religionsgesetz, sehr ernst nimmt, andererseits der Hinweis auf ein akzeptiertes Zusammenleben von Juden und Nicht-Juden vor Ort, denn ein Eruv kann leicht attackiert werden. Man musste nur die Schnur durchschneiden, um den jüdischen Ortsbewohnern den Feiertag zu erschweren. In Deutschland hat zurzeit keine jüdische Gemeinde einen Eruv. Auch im 18./19. Jahrhundert sind im deutschen Raum die Nachweise von Eruvim (Plural) sehr begrenzt. Ein Eruv war auch ein Signal an auswärtige Juden, dass in dieser Gemeinde die Religionsgesetze streng beachtet werden.
In Hochberg ist ein Eruv in den Archivalien 1783, 1809, 1813 und 1841 erwähnt. Der genaue Verlauf ist unklar. Auf jeden Fall bewegten sich die Hochberger Juden am Sabbat Gegenstände tragend ganz frei, auswärtige Juden konnten aber nicht am Sabbat mit Gegenständen nach Hochberg hineinlaufen oder hineinreiten, weil dies das Bewegen eines Objektes vom öffentlichen in den privaten Bereich gewesen wäre (und man am Sabbat außerdem nur 2000 Schritte gehen darf). Auswärtige Handel treibende Juden mussten also am Freitagabend vor Beginn des Sabbats in Hochberg sein. Danach gab es für 24 Stunden faktisch keinen „Grenzverkehr“ mehr.

Der Eruv war damit nicht nur eine Maßnahme, um den Einwohnern das Leben zu erleichtern, er regulierte zeitlich auch das Übernachtungsbestreben jüdischer Hausierer und Händler im Ort, die seit 1820 im Gasthaus Rose nächtigten. Dass dies zuvor ein Problem war, zeigt die Hochberger Judenordnung von 1780, in der in § 15 steht: „Da bisher in Ansehung der fremden in unserem Schutz nicht stehenden Juden eine große Unordnung vorwaltet, indem dieselbe die Woche hindurch in denen benachbarten Orten Handlung getrieben, über den Sabbat aber sich hierher begeben haben, wodurch nicht allein die Nahrung unserer hiesigen Schutz-Juden geschmälert worden, sondern es auch öfters geschehen, dass solche bei betrüglichen Händeln, worüber sie in Strafe gezogen worden, sich vor hiesige Juden ausgegeben, und dadurch unsere Judenschaft in großen Misskredit gesetzt haben.“

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