1941: NS-Blick auf Hochbergs jüdische Gechichte
Im Laufe der zweiten Jahreshälfte 1940 stimmte die NS-Propaganda die deutsche Bevölkerung durch drei antisemitische Kinofilme auf die verschärfte Gangart gegenüber Juden ein. Mit der Reichspogromnacht im November 1938 waren alle Hemmungen fallengelassen worden: Die Filme „Die Rothschilds“ (Uraufführung 17.7.40), „Jud Süß“ (5.9.40) und „Der ewige Jude“ (29.11.40) wurden von einer Propagandakampagne in den Zeitungen begleitet, die auch in der Ludwigsburger Zeitung am 21.3.1941 ihren Niederschlag fand.
Christa Lieb aus Ludwigsburg hat den Artikel „Wo einst Juden im Kreis Ludwigsburg saßen“ von einem Hanns Baum bei ihrer Recherche im Zeitungsarchiv der LKZ für Beth Shalom entdeckt. Im Artikel werden Juden als „Schmarotzer“ und „Halunken“ bezeichnet. Graf Eberhard im Bart wird dafür gelobt, dass Juden in Württemberg seit 1498 Ansiedlungsverbot hatten, ansonsten die „oberen Behörden“ aber kritisiert, dass sie nicht „den Mut“ hatten, das Land „zu säubern“. Christa Lieb schreibt: „Manchmal denke ich, ich muss aufhören, so sehr belasten mich die unerträglichen, ideologischen Berichte“.
Der Artikel vergleicht dann historische jüdische Einwohnerzahlen des 19. Jahrhunderts in Ludwigsburg, Aldingen, Kornwestheim, Hoheneck, Bissingen, Schwieberdingen, Besigheim, Bietigheim, Murr und Lauffen mit einer Statistik von 1936 und hebt den Rückgang hervor. Dann wird die Entstehung der jüdischen Gemeinde in Freudental dargestellt und der „Landschaden“, die Mätresse Wilhelmine von Grävenitz, hierfür verantwortlich gemacht, die die Juden „aus Habsucht“ nach Freudental geholt habe. Übergeleitet wird dann nach Hochberg: „So selbstverständlich es uns erscheinen mag, daß sich in einem doch immerhin etwas von der Heerstraße abgelegenen Orte wie Freudental so viele Juden haben ansiedeln können, so stehen wir doch vor einem großen Fragezeichen, wenn wir hören, daß es in Hochberg am Neckar im Jahr 1850 nahezu 280 Juden gab.“ Der Verfasser zitiert dann aus einer „Chronik von Hochberg“ (tatsächlich handelt es sich um die „Beschreibung des Oberamts Waiblingen“, hrsg. v. kgl. topographischen Bureau, 1850, S. 156f.): „Mehr als ein Drittel der Einwohner besteht aus Israeliten, wodurch der Charakter der hiesigen Einwohnerschaft eine eigene Geschmeidigkeit erhalten hat, die sie leicht der Mißdeutung aussetzt.“ Zitiert wird auch das Lob aus der Oberamtsbeschreibung, dass in Hochberg zum ersten Mal in Württemberg ein Jude in den Gemeinderat gewählt wurde (Abraham Herz 1845). Sarkastisch wird das kommentiert: „Dann kann man wohl den Grad der Geschmeidigkeit der Einwohner ermessen.“ Steht im Text von 1850, dass „mehrere Israeliten (Handel) treiben mit Wollen-, Baumwollen- und Seide-Waaren, sowie mit fertigen Betten, wozu sie die Federn in großen Ladungen aus Polen beziehen“, wird daraus 1941 ein Handel der Juden mit „ihren Genossen aus Polen“, um die nichtjüdischen Bewohner Hochbergers „in jeder Art und Weise“ zu überlisten. Ressentiments gegen „Ostjuden“ wurden hier bedient. 1936 lebten in Hochberg nur noch zwei Juden, vermerkt der Verfasser (Adolf Falk und seine Haushälterin Sophie Neumann). Diesen „Sprung nach unten“ verdanke man der „neuen Zeit“, d.h. der NS-Herrschaft. Diese Aussage ist falsch: Bereits seit 1925 waren die beiden die letzten Juden in Hochberg.
Tendenziell versucht der Verfasser, die Hochberger aufgrund der Geschichte der jüdischen Gemeinde am Ort aus NS-Perspektive als weltanschaulich ungefestigt erscheinen zu lassen. Wenn dem so war, können wir heute froh sein.