Die Nachkommen der Hochberger Familie Dreyfus
Gabriel Dreyfus aus Hechingen erhielt 1793 den Status eines Schutzjuden in Hochberg und stieg 1799 zum Hochberger Judenvorsteher auf. Der erfolgreiche Geschäftsmann erhielt 1805 den Hofschutz in Stuttgart, wo er 1810 verstarb. Er wurde auf dem Hochberger Friedhof beigesetzt. Die Grabinschrift lautet: „Hier wohnt und erquickt sich ein Mann, Gemeindevorsteher, ein Schild war er für sein Geschlecht durch sein Vermögen und durch seine Tüchtigkeit“. Verheiratet war er seit 1793 mit Bäßle Jacob aus Hochberg, die 1834 in Stuttgart verstarb. Das Ehepaar hatte vier Kinder: Gelchle (gestorben 1814), Dorothea (verheiratet nach Altdorf, heute Ettenheim bei Lahr, Nachkommen nicht bekannt), Nehemias (1802-1880) und Samuel (1804-1853). Nehemias war Juwelier in Stuttgart, zog aber in den 1850er Jahren wieder nach Hochberg zurück. Er war in den 1870er Jahren der Hochberger Synagogendiener und lebte auch von einer finanziellen Unterstützung seiner Schwägerin Henriette Dreyfus. Verheiratet war er mit Therese Abraham aus Baisingen (heute Rottenburg). Das Ehepaar hatte sechs Kinder: Pauline (1841-1868, Aufseherin im jüdischen Waisenhaus Wilhelmspflege in Esslingen), Rebekka (1842-1898, Köchin in Stuttgart), Jakob (geb. 1845, später Kaufmann in Frankfurt), Emilie (geb. 1847, wanderte nach Amerika aus), Fanny (geb. 1850, wanderte nach Amerika aus) und Eva (1853-1921, in Hochberg geboren, später Inhaberin eines Weißwarengeschäfts in Stuttgart). Nachkommen der nächsten Generation sind nicht bekannt.
Anders sieht es mit Samuel Dreyfus (1804-1853) aus: Er heiratete in Stuttgart Henriette Benedict (1810-1882), die Erbin eines Bankhauses. Als erster praktizierender jüdischer Arzt mit regulärem Medizinstudium in Württemberg, Chef des Bankhauses Benedict, israelitischer Oberkirchenrat und Vorstand des Waisenhauses Wilhelmspflege war Samuel hoch angesehen. Der gesellschaftliche Aufstieg des noch in Hochberg geborenen Samuel gelang auch durch die Heirat mit der reichen, bildungsbeflissenen und begabten Künstlerin Henriette. Das Ehepaar hatte sieben Kinder, deren Namen inzwischen ermittelt werden konnten (E. v. Georgii-Georgenau: Biographisch-Genealogische Blätter aus und über Schwaben, Stuttgart 1879, S. 268, Foto: GoogleBooks):
1.) Bertha (1830-1863), verheiratet mit dem Bankier David Haas. Der Sohn Hermann Julius Haas (1852-1902) war der Verleger und Gründer des „Mannheimer Morgens“ (Nachkommen bis heute), Sohn Hippolyt Julius Haas (1855-1913) war Paläontologe, Geologe und Schriftsteller. Er war von 1887 bis 1904 Professor an der Universität Kiel und erstellte das geologische Profil für den Bau des Nord-Ostsee-Kanals. Tochter Amalie Julie heiratete den Schweizer Ingenieur Arthur Juillerat-Chasseur. Hier sind ein Kind und drei Enkelkinder bekannt.
2.) Rosa (1832-1902), verheiratet mit Johann Gotthard Moritz Saurma von der Jeltsch, württembergischer Kammerherr, zwei Töchter: Maria-Anna (geb. 1861) und Walpurga (geb. 1863).
3.) Emilie (1834-1880), verheiratet mit Freiherr Julius von Einsiedel, Schloss Gnandstein.
4.) Theodor (1839-1899), als „Theodor von Dreyfus“ in Österreich zum Freiherrn erhoben. Seine Tochter Clarissa war mit dem Maler Julius von Blaas (1845-1922) verheiratet. Deren Sohn Carl Theodor von Blaas (1886-1960) war ebenfalls ein bekannter Porträtmaler.
5.) Pauline (gestorben vor 1879), 1855 nach Frankreich ausgewandert und mit einem Präfekten Latour verheiratet.
6.) Franziska, verheiratet mit einem Rechtsanwalt Donnenberg in Hamburg. Trägerin des preußischen Verdienstordens für Kranken- und Verwundetenpflege im Krieg 1870/71.
7.) Robert (Berufsbezeichnung „Agent“, nichts Näheres bekannt).
Innerhalb von drei Generationen gelang durch Wohlstandserwerb, Bildung und Konversion zum Christentum in der dritten Generation den Hochberger Dreyfus der Aufstieg ins Großbürgertum, ja sogar in den europäischen Adel.
Eine direkte Verwandtschaft mit dem Stuttgarter Kaufmann Max Dreifus, dessen Nachfahren 2023 Stuttgart besuchten (Stuttgarter Zeitung 6.6.2023), besteht nicht.
