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Judentum

1925: Die letzten jüdischen Familien in Hochberg

1925: Die letzten jüdischen Familien in Hochberg

1925 starben mit Pauline Israel und Karoline Falk die letzten Jüdinnen in Hochberg. Adolf Falk war seitdem der letzte Jude im Ort. Pauline Israel war seine Schwester und Karoline Falk seine Ehefrau gewesen. Die Zeitungen berichteten damals ausführlich, so die Ludwigsburger Zeitung am 2.6.1925 über den Tod Pauline Israels am 28.5. (wieder ein Fund von Christa Lieb aus Ludwigsburg): „Als am letzten Donnerstag die alleinstehende Witwe Pauline Israel hier sich anschickte, eine Reise nach Cannstatt zu unternehmen, um die Pfingstfeiertage bei ihren Angehörigen dort zu verbringen, wurde sie von einem Herzschlag betroffen, der ihren sofortigen Tod herbeiführte. Der bestellte und sie zur Abfahrt rufende Fuhrmann traf sie tot in ihrer Wohnung an. Als merkwürdiger Zufall mag es gelten, dass deren Ehemann David Israel um die gleiche Zeit vor 11 Jahren, als er ebenfalls vereisen wollte, an einem Herzschlag plötzlich starb. Der Ehemann damals als auch die Witwe jetzt, sind ja am Pfingstfeste unter großer Beteiligung von nah und fern, sowohl aus israelitischen als auch aus christlichen Kreisen zur letzten Ruhe auf dem israelitischen Friedhofe hier bestattet worden. Die früher hier so zahlreich vertretenen israelitischen Familien, die mit ihrem Handel zum lebhaften Geschäftsverkehr im Orte beitrugen, sind nun durch den Tod oder Wegzug bis auf eine Familie zusammengeschmolzen.“
Als ein halbes Jahr später Karoline Falk am 28.10.1925 starb, berichtete „Der Israelit“, die Zeitung des orthodoxen Judentums in Deutschland am 12.11.1925: „Hochberg bei Ludwigsburg. Im 61. Lebensjahr verstarb hier an einem Herzschlag Frau Karoline Falk, die durch ihr heiteres Wesen und ihren stets hilfsbereiten Wohltätigkeitssinn sich allgemeiner Beliebtheit erfreute. Am Grabe schilderte Lehrer Metzger – Ludwigsburg, sowie Oberlehrer Erlebacher, der Bruder der Verstorbenen, deren hervorragende Tugenden. Es war die einzige jüdische Familie, die nicht vom Strome der Zeit und dem Zug in die Stadt erfasst wurde. Da der Gatte wohl zu seiner Tochter nach Baisingen übersiedeln wird, so wohnt keine jüdische Seele mehr am Ort. Die ehrwürdige Synagoge und das stattliche Schulhaus mit seiner einstigen jüdischen Volksschule sind schon längst veräußert.“ Ähnlich berichtete am 27.11.1925 die jüdisch-liberale Zeitung unter der Überschrift „Aussterben einer alten jüdischen Gemeinde“: „In Hochberg bei Ludwigsburg wurde in der letzten Woche die letzte jüdische Frau, die durch ihren heiteren Sinn und ihr Wohltun weithin bekannte Karoline Falk, bestattet. Am Grabe schilderten Lehrer Metzger – Ludwigsburg und Oberlehrer Erlebacher – Oberdorf, deren treffliche Eigenschaften. Da der Gatte voraussichtlich zu seiner Tochter nach Baisingen übersiedelt, so ist dann die altehrwürdige Gemeinde Hochberg ausgestorben.“
Es kam anders als in der Presse vermutet: Adolf Falk engagierte sich eine Haushälterin, Sophie Neumann, und lebte noch bis 1939 in Hochberg. Er konnte 1939 nach London entkommen, wo er 1943 starb.
Die Gräber von Pauline Israel und Karoline Falk befinden sich auf dem oberen jüngeren Teil des Hochberger jüdischen Friedhofs. Pauline Israel ruht in einem Doppelgrab mit ihrem Mann David, was von der jüdischen Bestattungssitte des Einzelgrabes abweicht und in Hochberg nur zweimal vorkommt. Dies und die Wahl eines Obelisken als Grabstein sind Zeichen der Assimilation, der Anpassung an das nichtjüdische Umfeld. Karoline Falks Grabstein trägt eine Inschrift: „Hier ruht eine tüchtige Frau, eine Stütze für jeden, für ihre Kinder eine verständnisvolle Mutter, Hilfe für jede bittende Seele. Das ist Frau Keile (Kosename für Karoline), Tochter der Bella.“

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