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Judentum

Keine Shabbesgois in Hochberg?

Keine Shabbesgois in Hochberg?

Juden ist das Arbeiten am Sabbat, dem wöchentlichen Feiertag von Freitagabend bis Samstagabend, verboten. Zu den 39 Formen von Arbeiten, die am Sabbat nicht erlaubt sind, zählen zum Beispiel das Tragen von Gegenständen außerhalb des privaten Bereichs und das Feuer machen. Unter „Feuer machen“ fasst man auch das Betätigen eines Lichtschalters. Heute gibt es in jüdischen Familien hierfür technische Lösungen: Mit Zeituhren wird das An- und Ausschalten des Lichts vor Beginn des Sabbats vorprogrammiert. Das vor Beginn des Sabbats zubereitete Essen wird in hochwertigen Warmhalteboxen auf Temperatur gehalten. Aufzüge in Gebäuden fahren am Sabbat pausenlos nach oben und nach unten und halten auf jedem Stockwerk, damit niemand am Feiertag auf einen Knopf drücken muss. Aber wie wurde das eigentlich vor den technischen Innovationen des 20. Jh. geregelt? Die Antwort lautet: Mit „Shabbesgois“. Hierbei handelt es sich um einen Nichtjuden oder eine Nichtjüdin (= Goi), die am Feiertag einer jüdischen Familie zur Hand ging und Aufgaben übernahm, die das jüdische Gesetz verbot. Am Freitag konnten sich so christliche Hausangestellte bei jüdischen Familien etwas dazuverdienen.

In der jüdischen Gemeinde Freudental ist diese Praxis mehrfach belegt. Den Nazis war dies ein Dorn im Auge: 1935 verboten sie die Beschäftigung christlicher Hausangestellter in jüdischen Familien in Deutschland.

Das Anstellen eines Shabbesgois war das Zeichen für eine Übergangsphase: Streng orthodoxe Juden lehnten die Beschäftigung christlicher Hausangestellter ab, liberale Juden konzentrierten sich auf die Intension des Sabbats als Ruhetag und hatten kein Problem damit, vereinzelt „Arbeiten“ zu verrichten. Sie brauchten somit auch keine nichtjüdischen Hausangestellten. Wenn die orthodoxe Auffassung nicht mehr ganz so streng gesehen wurde, man aber auch nicht die liberale Einstellung teilte, war die Beschäftigung eines Shabbesgois in dieser Zwischenphase ein Lösungsweg. Für Hochberg können wir im Moment nur einen Fall belegen, auf den das eventuell zutrifft: Isaak Rescher heiratete 1878 seine christliche Haushälterin. Es war auch die erste Mischehe in Hochberg. Ob die evangelische Katharina Hemminger aus Poppenweiler bei Rescher ursprünglich nur als Shabbesgoi angestellt wurde, ist aber nicht bekannt. Die spätere Ehe spricht eher dagegen.

Adolf Falk, der letzte Hochberger Jude, hatte auch eine Haushälterin nach dem Tod seiner Frau 1925: Sophie Neumann war aber selbst jüdischen Glaubens und konnte die Shabbesgoi nicht geben. Brigitte Neidlein aus Hochberg erzählt von ihrem Großvater, der in den zwanziger Jahren Wirt der Rose in Hochberg und damit Nachbar Adolf Falks war, dass Falk damals die Kinder der Familie gebeten habe, für ihn am Sabbat verschiedene Arbeiten zu verrichten. Falks Praxis stand der Shabbesgoi-Lösung also durchaus nahe.

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