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Judentum

Gustav Werner 1849 in Hochberg

Gustav Werner 1849 in Hochberg

Im Zuge der Erforschung der 1848er-Revolution in Hochberg fand sich im Intelligenz-Blatt Waiblingen, der damaligen Zeitung für Hochberg, eine Ankündigung, dass Gustav Werner am 25. April 1849 nachmittags um zwei Uhr einen „religiösen Vortrag“ in der Hochberger Schlosskirche hielt. Werner ist Gründer des bedeutendsten Diakoniewerks im Württemberg des 19. Jahrhunderts, der „Gustav-Werner-Stiftung zum Bruderhaus“ in Reutlingen.

Sein Lebenswerk ist stark durch die Erfahrung der Revolution von 1848 geprägt. Das Archiv der BruderhausDiakonie Reutlingen konnte uns hierzu Auskünfte geben: Gustav Werner war in den 1840er Jahren ein gefragter „Reiseprediger“. Allerdings war er von den Pfarrern vor Ort nicht gerne gesehen, ihm wurde vorgeworfen, ein Sektierer zu sein. Daher durfte er vor und nach der Revolution auch nicht in Kirchen auftreten, sondern hielt seine Vorträge in Privathäusern, Scheunen und im Freien. Erst als der Landtag 1848 die Vereins- und Versammlungsfreiheit beschloss, öffneten sich für Werner für kurze Zeit die Kirchentüren. Leider ist wenig bekannt, was Werner in diesen Jahren in seinen Predigten vortrug. Da ihn später die Soziale Frage sehr bewegte, ist anzunehmen, dass er im Revolutionsjahr neben religiösen auch soziale und politische Themen mit im Gepäck hatte. Es ist anzunehmen, dass die Einladung Werners nach Hochberg das Ziel hatte, mäßigend auf die revolutionäre Stimmung in Hochberg einzuwirken. Wenige Wochen nach dem Auftritt in Hochberg ist nämlich ein einschneidendes Erlebnis Gustav Werners überliefert: An Pfingsten 1849 (27./28. Mai) fand in Reutlingen eine große Versammlung der württembergischen Volksvereine und Bürgerwehren mit fast 20.000 Teilnehmern statt. Die Menge forderte die Unterstützung des badischen Aufstandes durch Württemberg. Gustav Werner sah darin allerdings eine Bedrohung von Recht und Ordnung und befürchtete den Ausbruch von Gewalt. Er floh zusammen mit Freunden vor den Massen in der Stadt auf den Reutlinger Hausberg, die Achalm. Dort oben entwarf er sein Alternativprogramm: Gustav Werner wollte die christliche Nächstenliebe in alle gesellschaftlichen Bereiche, vor allem in die Industrie, einführen. Sollte das nicht gelingen, würde die Welt „bald der Republik, dem Kommunismus und der Anarchie anheimfallen“, schreibt er im gleichen Jahr in einem Flugblatt und distanziert sich damit von den Demokraten der Revolution.

In den „christlichen Fabriken“ sah Gustav Werner die Lösung, die negativen Folgen der Industrialisierung ohne Revolution auszugleichen. 1850 kaufte er eine Papierfabrik und wurde als Theologe sozialreformerischer Unternehmer. In den Folgejahren entstanden weitere Fabriken, u.a. die Maschinenfabrik zum Bruderhaus sowie eine Möbelfabrik. „Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert!“ war eines seiner Leitworte. Die BruderhausDiakonie ist heute eine Stiftung mit 5000 Mitarbeitenden mit Angeboten der Altenhilfe, Behindertenhilfe, Jugendhilfe und Sozialpsychiatrie sowie im Bereich Arbeit und berufliche Bildung.

Foto:  Gemälde von R.W.Heck 1888 (Archiv BruderhausDiakonie Reutlingen)

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