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Judentum

1848: Der doppelte Döbele

1848: Der doppelte Döbele

Letztes Jahr haben wir anlässlich des 175jährigen Jubiläums der 1848er Revolution ausführlich über die Ereignisse in Hochberg berichtet (11.8.23, 10.8.23, 6.8.23, 30.7.23). Es konnte gezeigt werden, dass „antijüdische Krawalle“ die falsche Kategorie für die Geschehnisse in Hochberg ist. Vielmehr handelt es sich um einen typischen Kommunaltumult, der sich gegen Bürgermeister und Gemeinderat richtete und in Württemberg 1848/49 in vielen Städten und Gemeinden vorkam. Nun sind Zeitungsartikel aufgetaucht, die dem Konflikt 1848/49 in Hochberg noch eine ganz persönliche Note geben und erneut bestätigen, dass es gar nicht um antisemitische Motive ging: Johann Georg Döbele war seit 1821 der erste Schultheiß Hochbergs nach Auflösung des Württembergischen Stabsamtes. 1841 wurde er wegen „Animositäten“ durch Gottlieb Döbele ersetzt, der wiederum 1843 wegen schlechter Eignung abgewählt wurde und Johann Georg Döbele kehrte in sein altes Amt zurück. Der Gemeinderat beauftragte den neuen alten Schultheiß Johann Georg Döbele gegen Gottlieb Döbele vor Gericht vorzugehen. Es ging um „Ansprüche aus einem Vertrag“. Der Prozess vor dem Oberamtsgericht Waiblingen endete 1845 mit einem Vergleich. Im Revolutionsjahr 1848 wurde dieser Konflikt am 17.09.1848 durch Gottlieb Döbele wieder hochgekocht: Er veröffentlichte in der Tageszeitung „Der Beobachter. Ein Volksblatt aus Württemberg“ eine Anzeige, in der er Johann Georg Döbele zum Rücktritt als Schultheiß aufforderte, weil dieser seit 1840 zu Unrecht ein zusätzliches Invalidengehalt beziehe, indem er vorgaukle, dass er erblindet sei. Er sei außerdem wegen falscher Beurkundung rechtskräftig zu 12 Gulden Strafe verurteilt und habe beim Bemühen des Juden Bär Jakob Berlinger um das Hochberger Bürgerrecht 30 Gulden Bestechungsgeld angenommen. „Schon lange sehnt sich ein großer Theil Bürger der Gemeinde Hochberg danach, Sie als Schultheiß ihres Amtes entsetzt zu sehen“ leitet Gottlieb Döbele seine Auflistung der Vorwürfe ein, die mit ironischen Ausführungen gespickt sind. Aus der Anzeige erfährt man auch, dass die Hochberger Gottlieb Döbele am 29. Juni 1848 zum „Obmann des Bürgerausschusses“ gewählt hatten. Nach der württembergischen Kommunalverfassung war der für zwei Jahre gewählte Bürgerausschuss eine Kontrollinstanz des auf Lebenszeit der Mitglieder gewählten Gemeinderats. Die Hochberger hatten im Revolutionsjahr also den alten Gegner des amtierenden Schultheißen zum Kontrolleur von dessen Gemeinderat gemacht. Aus dieser Position heraus forderte er nun den Rücktritt des Schultheißen. Am 21.09.1848 antwortet Johann Georg Döbele nun selbst im „Beobachter“ mit einer Anzeige. Er weist alle Anschuldigungen zurück, ihnen lägen „theils unwahre, theils entstellte Motive zu Grunde“. Es seien nur 5-6 Bürger, denen seine Amtsführung nicht zusage, die Mehrheit sei zufrieden. Er belange nun Gottlieb Döbele gerichtlich wegen Verleumdung.
Der Konflikt in Hochberg eskalierte entgegen den Erwartungen von Johann Georg Döbele bis April 1849: Der Schultheiß trat zermürbt zurück. Im Ratsprotokoll schrieb Döbele: „Die unruhigen Zeitverhältnisse von 1848/49 haben auch hier unruhige Vorfälle hervorgebracht. (…) Die Heimsuchungen gegen mich wurden immer größer, und aus diesem Grunde habe ich meine amtliche Stelle niedergelegt.“ Mit der Wahl von Jacob Vollmer zum Schultheißen trat Ruhe ein. 1851 scheint die Verleumdungsklage von Johann Georg Döbele erfolgreich gewesen zu sein. Am 8.2.1851 erschien im „Beobachter“ eine Anzeige von Gottlieb Döbele: Die am 17.09.1848 „vorgebrachten Thatsachen nehme ich hiermit zurück, weil ich demselben Unrecht gethan habe.“

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