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Judentum

Der Wiederaufbau des jüdischen Friedhofs nach der Schändung in der NS-Zeit

Der Wiederaufbau des jüdischen Friedhofs nach der Schändung in der NS-Zeit

Der jüdische Friedhof in Hochberg wurde in der NS-Zeit geschändet. Eine Weisung der amerikanischen Militärregierung und des Landrats vom 15.01.1946 an den Hochberger Bürgermeister gibt hierüber Auskunft: „Die Gräber sind wieder herzustellen, umgeworfene Grabsteine sind wiederaufzurichten, verstreut umher liegende Grabsteine sind an ihren Platz zurückzubringen, die Mauer ist zu reparieren …“ Am 22.02.1946 berichtet der Hochberger Bürgermeister an das Landratsamt, dass die Arbeiten ausgeführt wurden.
Gelang es 1946, den Friedhof in den Zustand vor der Schändung zurückzuversetzen? Zwei Fotos können bei dieser Frage helfen. 1932 veröffentlichte der Oberrat der israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg das Buch „Jüdische Gotteshäuser und Friedhöfe in Württemberg“. Dort finden sich auf Seite 86 zwei Fotos des Hochberger Friedhofs. Fotograf war der Stuttgarter Willi Moegle, nach 1945 ein führender Vertreter der Sachaufnahme von Industrieprodukten in der Wirtschaftswunderzeit.
Vergleicht man die zwei Fotos des mittleren Bereichs des Friedhofs mit der heutigen Situation, fällt zunächst ins Auge, dass 1932 der Hangwald zum Neckar noch nicht bestand. Man hatte freien Blick neckarabwärts Richtung Schießtal und auf die andere Neckarseite Richtung Oßweil. Analysiert man die Bilder im Detail, so finden sich viele Grabsteine an demselben Standort wie 1932, sind heute im Verwitterungsprozess aber weit fortgeschritten. Es gibt aber auch Steine, die verschwunden bzw. bei denen nur noch Fragmente vorhanden sind. Ulrike Sill konnte bei ihrer Friedhofsdokumentation 2003 z.B. zwei Fragmente genauer zuordnen: 1946 waren sie beim Wiederaufbau offensichtlich zusammen an die Mauer gelehnt worden, weil man wegen der passenden Bruchkante annahm, dass es sich um zwei Teile eines Steines handelt. Genaue Übersetzung und Fotovergleich mit der Situation 1932 ergab aber, dass es sich um Teile zweier Grabsteine handelt. Einen Teil kann man zuordnen, den anderen nicht. Umgekehrt hat man 1946 zwei Fragmente deutlich getrennt voneinander platziert, die eindeutig zu einem Grabstein gehören. Der Eindruck, dass man 1946 die ursprüngliche Platzierung vielfach nicht mehr genau rekonstruieren konnte, verstärkt sich bei genauem Blick auf die Fotos von 1932: So wurde der Grabstein von Seligmann Gideon, leicht erkennbar am eingearbeiteten Schofar-Horn auf dem Stein, leicht versetzt aufgestellt. Auch der von Ulrike Sill als ältester erhaltener Grabstein identifizierte Stein für Dreyna Löwenthal (1804) stand ursprünglich nicht im mittleren Teil des Friedhofs, da auf dem Friedhof chronologisch bestattet wurde und die Nachbarsteine 20-30 Jahre später datieren. Das bezeugt auch das Panoramafoto über den mittleren Teil von 1932.
Sehr korrekt scheinen die Steine im oberen jüngsten Teil des Friedhofs zu stehen. Die letzte Bestattung war hier 1925. 1946 waren vielen Hochbergern die Verstorbenen noch bekannt und die Rekonstruktion der Standorte war leicht, auch weil die späten Grabsteine mit hebräischer und deutscher Inschrift versehen sind und dadurch leichter zu identifizieren waren als Steine mit ausschließlich hebräischer Schrift.

1992 besserte der Remsecker Bauhof ein Stück der Friedhofsmauer aus und fand darin Grabsteinfragmente, die man 1946 offensichtlich nicht zuordnen konnte und damals zur Mauerreparatur verwendete. Auch das Taharahäuschen zur Totenwaschung an der unteren Friedhofsecke wurde 1946 nicht wiedererrichtet.

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