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Judentum

Jüdischer Friedhof: Instandsetzungserlass der Militärregierung 1946

Jüdischer Friedhof: Instandsetzungserlass der Militärregierung 1946

Im Hochberger Gemeinderatsprotokoll vom 17. Januar 1946 ist der Erlass der amerikanischen Militärregierung zur Instandsetzung des jüdischen Friedhofs in Hochberg enthalten. Die Militärregierung ordnete Folgendes an:

„1. Wie der Bürgermeister von Hochberg bereits mündlich beauftragt wurde, ist der jüdische Friedhof in Hochberg wiederinstandzusetzen.
2. Die Gräber sind wiederherzustellen, umgeworfene Grabsteine sind wiederaufzurichten, verstreut umher liegende Grabsteine sind an ihren Platz zurückzubringen, die Mauer ist zu reparieren und jede andere Arbeit, die erforderlich ist, um dem Friedhof seine Würde als Ruhestätte der Toten wiederzugeben, ist auszuführen. Sobald die Vegetation im Frühjahr getrocknet ist, ist alles Unkraut und überflüssige Gras unter Aufsicht zu verbrennen.
3. Die Arbeit ist durch ehemalige Mitglieder der NSDAP und solche HJ-Mitglieder auszuführen, welche im Sinne des Nationalsozialismus an der „heroischen Tat“ der Zerstörung des jüdischen Friedhofs teilgenommen haben.
4. Die Arbeit am Friedhof ist nicht auf die 60 Tage Arbeitspflicht der Pg. (Parteigenossen) anzurechnen und ist ohne Bezahlung auszuführen.“
Am 22. Februar 1946 berichtet der Hochberger Bürgermeister an das Landratsamt, dass die Arbeiten ausgeführt seien. Über die nicht ganz originalgetreue Umsetzung haben wir hier schon berichtet.
Der Erlass ist typisch für das Vorgehen der amerikanischen Militärregierung in ihrer Zone in den ersten Monaten nach Kriegsende: Gezielt sollten NS-Funktionsträger vor Ort für öffentliche Aufräumarbeiten eingesetzt werden. Die Amerikaner wollten sie anprangern und erwarteten Reaktionen der Abscheu von der deutschen Bevölkerung. Stattdessen beobachteten sie aber zu ihrer Überraschung Solidarisierung und Mitleid aus der Bevölkerung mit den ehemaligen Tätern und ließen diese Vorgehensweise daher schnell wieder fallen. Dass die Amerikaner bei der Friedhofszerstörung sarkastisch von einer „heroischen Tat“ in Anführungsstrichen sprechen, zeugt auch von ihrer Überzeugung, der gesunde Menschenverstand müsse dies als Untat eigentlich sofort erkennen.

Der Auftrag lautete jedenfalls, dass die Zerstörer des Friedhofs auch für den Wiederaufbau verantwortlich sind und dem Hochberger Bürgermeister Karl Rappoldt (Bürgermeister 1945-1946) scheint es schnell gelungen zu sein, diese Vorgabe umzusetzen.

Unter den amerikanischen Soldaten waren auch solche jüdischen Glaubens. Der Hinweis zum Verbrennen des Grünschnitts weist nämlich auf eine spezielle talmudische Tradition: Im Traktat Semachot steht, dass es verboten ist, aus einem jüdischen Friedhof wirtschaftlichen Nutzen zu ziehen: „Wenn und wo um des Friedhofs willen Gras und Holz gesammelt wird, soll es verbrannt werden.“ Diese spezielle religiöse Vorschrift hatten zuvor nicht einmal die Hochberger Juden beachtet. 1885 ist belegt, dass sie den Grünschnitt des jüdischen Friedhofs an den Meistbietenden verkauften. Möglicherweise handelt es sich hier um eine aus wirtschaftlicher Not entstandene Regelung aus der Spätzeit der jüdischen Gemeinde in Hochberg, als es der schrumpfenden Gemeinde zunehmend schwer fiel die Infrastruktur zu unterhalten. Der Verfasser des Erlasses von 1946 war jedenfalls ein Kenner der jüdischen Friedhofsvorschriften.

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