Antisemitismus in Baden-WürttemberG
Dr. Michael Blume, Beauftragter gegen Antisemitismus der baden-württembergischen Landesregierung, trat am 1. Juni in der ehemaligen Synagoge in Remseck-Hochberg auf. Die FDP/DVP-Landtagsfraktion hatte das Gebäude im Rahmen ihrer Fraktionsveranstaltungsserie angemietet und Blume eingeladen zu „Antisemitismus in Baden-Württemberg“ zu informieren.
Blume filterte die Verschwörungsmythen hinter den verschiedenen Antisemitismen heraus und zeigte auf, wie alte Verschwörungserzählungen im neuen Gewand zum Beispiel in der Coronapandemie wieder aufgetaucht seien. Von der antisemitischen Fantasie der jüdischen Weltverschwörung führe der Weg zur Fantasie über die „geheimen Mächte“ hinter der Coronapandemie. Schon immer gebe es Menschen, die glaubten, dass die Welt von bösen Mächten beherrscht werde. In Krisenzeiten erführen solche Verschwörungserzählungen Zulauf. Das habe mit einem psychologischen Phänomen zu tun: Menschen könnten auf Krisen reagieren, indem sie sich auf die Wissenschaft stützten und bleibende Unsicherheiten akzeptierten. Oder sie wählten den vermeintlich leichteren Weg und suchten die Schuld bei bösen Verschwörern. Die Digitalisierung befeuere dieses Phänomen, weil sich die Mythen nun viel schneller in der Welt verbreiten. „Das Internet ist großartig, wird aber zum Aufbau abgeschotteter Blasen und zur Verbreitung von Antisemitismus, Rassismus und Sexismus missbraucht“, so Dr. Blume. „Wir brauchen daher mutige Stimmen, die über Verschwörungsmythen aufklären. Wir brauchen mehr Bildung und Begegnung von Menschen mit unterschiedlichen Auffassungen im realen Leben. Raus aus der Verschwörungsblase, rein ins Argumentieren“, lautete sein Credo.
Das Gefährliche am Antisemitismus sei, dass dieser Hass expansiv sei. Er beginne bei Juden und greife dann über auf Ärzte, Wissenschaftler, Journalisten und Politiker. Wenn man einmal in diesem Verschwörungsdenken drin sei, verallgemeinere sich das und werde zu einer Absage an andere Menschen außerhalb der eigenen Filterblase und gipfele teilweise sogar in Gewalt. Deswegen rief Blume dazu auf, den Antisemitismus nicht nur den jüdischen Gemeinden zuliebe zu bekämpfen, sondern er müsse generell für den Schutz unserer Verfassung, für Freiheit und Menschenrechte und den Schutz von Minderheiten bekämpft werden.
Blume berichtete von der starken Zunahme antisemitischer Straftaten in Baden-Württemberg. Klassische antisemitische Einstellungen in der Bevölkerung nähmen zwar ab, aber eine kleine Gruppe radikalisiere sich. Der Zuspruch zu Verschwörungstheorien sei auch erschreckend hoch. Auch das antisemitische Fabulieren der russischen Führung im Ukrainekrieg lasse Kampagnen aus dieser Richtung erwarten. Der russische Außenminister Lawrow hatte die wirre These wiederholt, dass Hitler jüdischer Abstammung sei und behauptet, dass hinter Antisemitismus Juden stecken würden. Daher rief Blume zu Wachsamkeit auf. Das geweckte Bewusstsein der Baden-Württemberger mache ihn aber optimistisch, dass der Abwehrkampf durch Aufklärung und Begegnung gelinge.