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Hauptstraße 37, 71686 Remseck
Judentum

Weihnukka

Weihnukka

Im 19. Jh. entstand im deutschen assimilierten Judentum „Weihnukka“: Die Traditionen des jüdischen Chanukka-Festes und des christlichen Weihnachtsfestes im Dezember wurden verschmolzen. Die Werte „Familie“ und „Mildtätigkeit“ wurden als religionsübergreifend aufgefasst und in manchen jüdischen Familien christliche Rituale übernommen: Ein Chanukkabaum wurde aufgestellt und ein Chanukkamann brachte Geschenke für die Kinder. Dass auch in Hochberg bei jüdischen Familien die Bedeutung von Weihnachten gesehen wurde, erkennt man an der „Falkschen Weihnachtsspende“. In den 1920er und 1930er Jahren übergab diese Hochberger jüdische Familie der Gemeinde jedes Jahr im Dezember einen stattlichen Betrag, mit dem der Hochberger Kindergarten Alexandrinenpflege finanziert wurde.
Dass jüdische Mildtätigkeit an Weihnachten aber auch auf Verwunderung stieß, zeigen zwei Beispiele: Die aus Hochberg stammende jüdische Stuttgarterin Rösle Güldenstein geb. Thalheimer (1816-1892) richtete mit ihrem Mann testamentarisch die Thalheimer Stiftung mit 500 Mark ein, aus deren Erträgen jährlich vor Weihnachten an arme christliche Einwohner in Hochberg mindestens 3 %, also 15 Mark in Portionen von wenigstens 1 Mark verteilt werden sollten. Als Verwalterin der Stiftung wurde die evangelische Kirchengemeinde Hochberg eingesetzt. Die Kirchengemeinde nahm die Stiftung aber nicht an, da „schwerlich anzunehmen ist, dass ein Israelit der christlichen Kirchengemeinde das Legat bestimmen wollte“. Es wurde eine Verwechslung mit der politischen Gemeinde Hochberg unterstellt und diese kümmerte sich fortan auch um die Verwaltung der Thalheimer Stiftung, „in der Voraussetzung, dass die Zinsen ausschließlich an christliche Gemeindemitglieder verteilt werden.“

Die zweite zwiespältig beäugte jüdische Mildtätigkeit zum Jahresende ist für 1840 bezeugt: Abraham Herz, der spätere Gemeinderat, ließ am Neujahrstag vor der evangelischen Schlosskirche in Hochberg Brennholz an Ortsarme verteilen und wurde deshalb wegen Verstoß gegen die Feiertagsheiligung angezeigt. Herz ließ sich vor dem Kirchenkonvent mit den Worten verteidigen, „er glaube nicht, dass es bei den Christen verboten sei, am Neujahrstag Gutes zu tun.“ Der Konvent beschloss daraufhin, „es sei allerdings erlaubt, an Sonn- und Festtagen Gutes zu tun, und es soll daher auch von einer Strafe keine Rede sein, übrigens wurde erinnert, in Zukunft zu solchen Austeilungen, die doch nicht ohne Geräusch vor sich gehen können, Werktage zu wählen.“

2024 ist das Haus Hauptstraße 10 in Hochberg besonders festlich weihnachtlich geschmückt. Von 1801 bis 1829 besaß die jüdische Familie Dreyfus das Haus und von 1801 bis 1805 residierte hier der Vorsteher der jüdischen Gemeinde Hochberg Gabriel Dreyfus. Vielleicht wären auch die Dreyfus im Sinne von „Weihnukka“ ganz begeistert von diesem Lichterschmuck.
Wir wünschen nun allen Leserinnen und Lesern Frohe Weihnachten und ein Frohes Chanukka: Mögen beide Feste Hoffnung und Zuversicht schenken!

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