Gedenken an die Reichspogromnacht: 9. November 2024
Am Samstag, den 9. November waren fast 50 Besucher gekommen, um in der ehemaligen Synagoge der Pogromnacht 1938 zu gedenken. Oberbürgermeister Dirk Schönberger hielt eine engagierte Rede: „Diese Nacht und ihre verheerenden Folgen waren kein Zufall, sondern das Ergebnis gezielter Hetze und einer Politik des Hasses, die Juden systematisch zu Sündenböcken machte. Für uns bleibt dieser Tag Mahnung und Verpflichtung: Solange wir erinnern, dürfen wir nicht schweigen. Es ist unsere Verantwortung, dass dieser Hass nicht an Boden gewinnt. Wenn wir heute der Opfer der Vergangenheit gedenken, so wollen wir zugleich ein Zeichen setzen für alle, die im heute von Hass bedroht sind.“
Schülerinnen und Schüler der Realschule Remseck präsentierten Videos, in denen sie in der Projektwoche des letzten Schuljahres Gegenstände aus dem jüdischen Leben mit Orten in Hochberg verknüpft hatten: So wurde die Mesusa, die Kapsel mit dem Haussegen, an einem Haus in der Hochberger Hauptstraße erklärt; die Menora, der siebenarmige Leuchter, in der ehemaligen Synagoge; der Davidstern an der Hochberger Schlosskirche; die Kippa auf dem Hochberger jüdischen Friedhof.
Kai Buschmann stellte dieses Jahr beim Gedenken die Hochberger jüdische Familie Kusiel in den Mittelpunkt. Alice, Peppi und Siegfried Kusiel waren die letzten Jüdinnen und Juden, die zwischen 1893 und 1901 in Hochberg geboren wurden. Die Familie lebte im Obergeschoss der Hauptstraße 24, einer kleinen Mietwohnung im damaligen Hochberger Rathaus. Nach einer glücklichen Kindheit im Dorf, die Alice in ihren Lebenserinnerungen auf Englisch beschreibt, zog die Familie 1905 nach Ludwigsburg um. Tochter Peppi emigrierte 1937 als Erste mit ihrer Familie in die USA, nachdem die Nazis die Firma ihres Mannes „arisiert“ hatten. Sohn Siegfried war schon 1922 in die Niederlande ausgewandert. Dorthin folgten 1939 die Eltern Salomon und Fanny Kusiel, wurden aber 1940 von der deutschen Besetzung der Niederlande eingeholt. Salomon starb 1940, Fanny wurde im Vernichtungslager Sobibor 1943 ermordet. Sohn Siegfried tauchte in den Niederlanden nach Verhaftung, Misshandlung und Lagerhaft unter und konnte mit falscher Identität bis Kriegsende in Utrecht überleben. Alice gelang es in Ludwigsburg im August 1941 mit ihrer Familie eines der letzten Visa in die USA zu ergattern. So konnte sich die Familie retten. Viele Enkel und Urenkel der letzten drei in Hochberg geborenen Juden leben heute in den USA.
Armando G. Mora Estrada trug für den Gemeinderat die „Remsecker Erklärung“ vor. 2018 hatten sich alle Fraktionen des Gemeinderats anlässlich des 80. Jahrestages der Pogromnacht auf diesen Text verständigt, in dem es unter anderem heißt: „Wir gedenken der vielen Millionen Toten und aller, die starben, als Wahnsinn die Welt regierte und das Böse wie leibhaftig in der Welt wohnte. Wir anerkennen mit Scham, dass jenes Böse von diesem Land ausging, in dem wir heute leben. (…) In unserem täglichen Kampf gegen Ungerechtigkeit, menschliche Grausamkeit und Vorurteile, gegen Tyrannei und Verfolgung gibt uns die nicht verblassende Erinnerung Kraft und leitet uns an, heute gemeinsam eine Welt zu bauen, die in allen gesellschaftlichen Belangen und zu jeder Zeit die Würde aller Menschen anerkennt, bewahrt, und schützt.“