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Judentum

Manasse Löw Thalheimer

Manasse Löw Thalheimer

Der Grabstein des Manasse Löw Thalheimer

Einer der bekanntesten Hochberger Juden im 19. Jh. war Manasse Löw Thalheimer (1787-1880) aus Talheim bei Heilbronn. Seit 1815 lebte er als sog. Schutzjude in Hochberg, betrieb Handel und Geldverleih und eröffnete 1837 am Alexandrinenplatz eine Gastwirtschaft, aus der später die „Krone“ hervorging (heute Änderungsschneiderei). Den Nachnamen Thalheimer hatte er 1820 aufgrund seiner Herkunft angenommen, zuvor hieß er nur Manasse Löw. Der Schriftsteller Johannes Nefflen (1789-1858) hat ihn in einem Gedicht gewürdigt, in dem Manasse schlagfertig Antisemitismus abwehrt:

Der Amtmann am Zaune oder der Unterschied
Der Amtmann ist im Garten / Thut seine Blumen warten. / Er stehet nah am Zaun, / Um recht weit auszuschaun. / Da sieht er auf der Straße / Von Hochberg den Manasse, / Wie der auf seinem Rücken / Schwer schleppet zum Ersticken / Hasenbälg und Weinstein, / Altes Zinn im Säcklein. / Er rufet auf die Straße: / Wohin so flink Manasse? / Du bist ja schwer beladen – /Ei, ei! Du kannst dir schaden! / Gelt! Um Profit könnt ihr euch bücken, / Da laßt ihr euch zu Boden drücken! / Ei, zeig mir doch den Unterschied / Zwischen dem Esel und dem Jüd. / „Den Unterschied?“ / spricht auf der Straße / Schnell besonnen der Manasse: / „Gestrenger Herr! Woll’ns doch nur schaun – / Doo steht er joo: es ist der Zaun.

Gertrud Bolay berichtet in ihrem Buch über die Hochberger Juden von einzelnen Vorladungen des Manasse vor den Kirchenkonvent aus den 1830er Jahren, weil in seiner Gastwirtschaft am Sonntag damals verbotenerweise getanzt und gekegelt wurde. Sie schreibt dann: „Löw Thalheimer starb am 5. Januar 1880 in Hochberg. Sein Grab ist nicht bekannt.“

Nun ist durch die Recherche von Christa Lieb aus Ludwigsburg für Beth Shalom im Zeitungsarchiv der LKZ ein Artikel in der Ludwigsburger Zeitung vom 10.02.1939 aufgetaucht, in dem mit Verweis auf Manasse im Nationalsozialismus gegen Juden gehetzt wurde. Manasse habe 1818 und 1821 einem Hochberger Bauern Geld geliehen und angeblich 1823 überhöhte Beträge zurückgefordert. Als Quelle werden die Hochberger Gemeinderatsprotokolle von 1823 angegeben. Das wird als historischer Beleg angeführt, dass man „auf dem flachen Lande“ kein Mitleid mehr mit den verfolgten Juden haben solle. Es ist von „habgierigen Parasiten“ und „jüdischer Pest“ die Rede. Eine Nachfrage im Stadtarchiv Remseck ergab, dass ausgerechnet die Hochberger Protokolle von 1816-1823 heute fehlen, d.h. der unbekannte Verfasser des antisemitischen Hetzartikels hat sie wahrscheinlich für diesen Text 1939 entnommen und nicht zurückgegeben.

Auf jeden Fall ist gegen Manasse Löw Thalheimer in der NS-Zeit Stimmung gemacht worden. Bei der Schändung des Hochberger jüdischen Friedhofs im Dritten Reich wurde ein Grabstein besonders malträtiert: Die eingelassene Texttafel (vermutlich Marmor), die auf eine bedeutende Persönlichkeit hinwies, wurde aus dem Sandsteingrabstein Nr. 184 mit roher Gewalt herausgebrochen und das Grab damit anonymisiert. Da auf dem Friedhof chronologisch bestattet wurde und die Nachbargrabsteine links und rechts von 1877 und Dezember 1880 stammen, kann Nr. 184 mit guten Gründen Manasse Löw Thalheimer zugeordnet werden. Ein Täter im antisemitischen Wahn hat sich hier offensichtlich zu schaffen gemacht. Manasse Löw Thalheimers Grab scheint gefunden.

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