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Hauptstraße 37, 71686 Remseck
Judentum

Siegfried Kusiel

Siegfried Kusiel

Der letzte in Hochberg geborene Jude war Siegfried Kusiel am 3. März 1901, Sohn von Salomon und Fanny Kusiel aus der Hauptstraße 24. Allein schon der ausgewählte deutsche Vorname zeigt, dass die Familie Kusiel sich als assimiliert empfand. Familie Kusiel zog 1905 nach Ludwigsburg um, wo Siegfried zur Schule ging. Warum er 1922 von dort nach Amsterdam auswanderte, ist nicht bekannt. Zunächst arbeitete er als Koch, dann stieg er in Rotterdam in den Schuhhandel ein. 1929 heiratete er Kitty / Keetje Montanjees (1901-1994), die Tochter eines reichen Diamantenhändlers aus Amsterdam. 1935 nahm er die niederländische Staatsbürgerschaft an. 1939 ist vermerkt, dass Siegfried Kusiel die Filiale von Salamander in Rotterdam leitete. Die Kornwestheimer Schuhfirma Salamander war 1903 durch Kooperation des jüdischen Lederhändlers Rudolf Moos aus Berlin mit der Schuhfabrik von Jakob Sigle und Max Levi, ebenfalls ein Jude, in Kornwestheim entstanden. Schuhproduktion und Schuhhandel waren in Kaiserreich und Weimarer Republik von jüdischen Unternehmern dominiert, weil die Vorgängergeneration im Viehhandel gearbeitet hatte und jüdische Familien daher allem nahestanden, was mit Lederverarbeitung zu tun hatte.
1939 flüchteten Siegfrieds Eltern Salomon und Fanny Kusiel nach der Reichspogromnacht aus Ludwigsburg zum Sohn nach Rotterdam. 1940 wurden sie von der deutschen Besetzung der Niederlande eingeholt. Vater Salomon starb kurz nach dem deutschen Einmarsch an Herzversagen, Mutter Fanny wurde 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Ab dem 2. Mai 1942 musste Siegfried Kusiel in der Öffentlichkeit in den Niederlanden einen auf der Kleidung aufgenähten Judenstern tragen. Er wurde am 31. Oktober 1942 verhaftet und von der SS verhört und misshandelt. Das war für ihn Anlass unterzutauchen und Krieg und Besatzung in Utrecht unter der falschen Identität „Wim Dijkshoorn“ zu überleben.
1945 eröffnete Siegfried Kusiel sein Schuhgeschäft in Rotterdam neu unter dem französischen Namen „Chaussures Kusiël“ mit dem Ziel ein gehobenes Publikum anzusprechen. Dies scheint ihm gelungen zu sein: Man kann lesen, dass er im Schuhhandel ein Vermögen machte. Siegfried und Kitty Kusiel hatten keine Kinder. Siegfried starb am 14. Juni 1982 und wurde auf dem jüdischen Friedhof auf dem Toepad in Rotterdam begraben. Seine Frau Kitty starb 1994.

Foto: Anzeige zur neuen Herbstkollektion an neuer Adresse in der Tageszeitung Het Vrije Volk vom 03.11.1953 (www.joodserfgoedrotterdam.nl/chaussures-kusiel)

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