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Hauptstraße 37, 71686 Remseck
Judentum

Berches

Foto: Aviv Hod, Wikimedia Commons

Berches

Artikel an dieser Stelle gehen häufig auf Anregungen und Erinnerungen von Leserinnen und Lesern zurück. Jetzt gab Marie-Luise Krack aus Hochberg den Hinweis, dass sich sehr alte Hochbergerinnen noch daran erinnern, dass in ihrer Kindheit in Hochberg Berches gebacken wurden. Hierbei handelt es sich um das jüdische Sabbatbrot, über das ein weibliches Mitglied der jüdischen Familie zur Eröffnung des Sabbat am Freitagabend den Segen spricht (Jiddisch Berches von hebräisch Berachot = Segen).
Berches sind eine milchfreie Variante des gerade unter Schwaben beliebten Hefezopfs. Während dieser mit Milch und Butter gebacken wird, werden Berches ohne Milchprodukte hergestellt. Nach den jüdischen Speisegesetzen muss Milchiges und Fleischiges streng getrennt werden. Es gibt Lebensmittel, die neutral (parve) sind und somit sowohl mit Fleischigem als auch mit Milchigem gegessen werden können. Hierzu zählen Obst und Gemüse, aber auch Brot, das statt mit Milch und Butter mit Wasser und Öl gebacken wird.

Grundzutaten der Berches sind Mehl, Wasser, Hefe und Salz. Häufig sind die in Zöpfen geflochtenen Berches mit Mohn bestreut – so nach der Überlieferung auch in Hochberg. Um das Brot vor dem schnellen Austrocknen zu schützen, sollen die Hochbergerinnen früher dem Mehl geriebene Kartoffeln vom Vortag beigegeben haben. Es handelt sich um eine Zugabe, die sich in vielen Berchesrezepten aus dem südwestdeutschen Landjudentum findet. Sie diente nicht nur der Feuchthaltung des Brotes, sondern war auch ein Mittel, um das früher öfters knappe Weizenmehl zu strecken.
Zum Sabbat werden zwei Berches auf einer schön gestalteten Platte serviert und zunächst mit einem Tuch bedeckt. Mit dem Segen über den Broten beginnt der Feiertag. Am Sabbat sollen drei Mahlzeiten eingenommen werden. Die erste am Freitagabend, die zweite am Samstag nach dem Besuch der Synagoge und am Abend des Schabbats. Während jeder Mahlzeit sollten die zwei Berches auf dem Tisch liegen. Die Anzahl soll an die doppelte Portion Manna erinnern, welche den Israeliten jeweils am Freitag während ihrer 40jährigen Wüstenwanderung von Gott geschenkt wurde (2. Mose 16), damit sie am Sabbat nicht mannasammeln, d.h. arbeiten mussten.
In Hochberg wurde die Tradition des Berchesbacken offensichtlich auch von christlichen Familien übernommen, denn die Erinnerung der Hochbergerinnen reicht maximal in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts zurück als mit Adolf Falk und seiner Haushälterin nur noch zwei Juden in Hochberg lebten. Dass die jüdische Backtradition in Hochberg leicht auf nichtjüdische Familien übersprang, lag vielleicht auch daran, dass sich die Gemeinde im 19. Jahrhundert die Einrichtung eines Backhauses nicht leisten konnte und stattdessen den jüdischen Bäcker Gumpel Kusiel (1817-1896) in der Hauptstraße 30 vertraglich damit beauftragte, in seiner Bäckerei einen Backofen einzubauen, in dem „jeder Einwohner, ob Christ oder Jude, sein Brot … backen durfte.“ Die Hochberger, „ob Christ oder Jude“, ließen ihr Brot somit in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts bei einem jüdischen Bäcker backen.

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