Scroll Top
Hauptstraße 37, 71686 Remseck
Judentum

War Abraham Herz der erste jüdische Gemeinderat Württembergs?

Schwäbischer Merkur 12.01.1846 (Dt. Zeitungsportal)

War Abraham Herz der erste jüdische Gemeinderat Württembergs?

In allen Veröffentlichungen zu Hochbergs jüdischer Geschichte ist zu lesen, dass Abraham Herz 1845 der erste in Bürgerwahl bestimmte Gemeinderat jüdischen Glaubens in Württemberg war. Als Quelle wird die Beschreibung des Oberamts Waiblingen angegeben, die 1850 im Cotta-Verlag erschien. Dort heißt es: „Es verdient übrigens Anerkennung, daß Hochberg der erste Ort des Landes ist, wo ein Israelite zu einem Gemeindeamt berufen wurde.“ Die Autoren der Oberamtsbeschreibung hatten ihre Information offensichtlich aus einer Notiz im Schwäbischen Merkur vom 4. Januar 1846: „Hochberg, … Unsere Gemeinde dürfte wohl der erste Ort in Württemberg seyn, in welchem ein Israelite zu einem Gemeindeamte berufen wurde. Herz Abraham Herz wurde … am 31. Dezember vorigen Jahres als Gemeindepfleger beeidigt.“ Am 12. Januar 1846 erschien in derselben Zeitung allerdings eine Korrektur: „Pflaumloch, O.A. Neresheim: Die in diesen Blättern vom 4. Jan. gegebene Nachricht aus Hochberg, daß dort jüngst eine Israelite … als Gemeindepfleger beeidigt wurde, und daß dies wohl der erste derartige Fall in Württemberg seyn dürfte, ist dahin zu berichtigen, daß hier der israelitische Kaufmann Markus Ellinger schon vor längerer Zeit … zu diesem Gemeindeamt berufen wurde.“ Haben die Autoren der Oberamtsbeschreibung diese Korrektur übersehen? Anscheinend nicht, denn um die Frage, wer der erste war, wurde damals gerungen: Am 19. Januar 1846 erschien in der „Allgemeinen Zeitung des Judentums“ folgende Notiz: „Pflaumloch, …. Die hiesige Stadtkommune hat den Israeliten Markus Ettlinger zu ihrem Bürgermeister erwählt. Es ist dies seit Erlassung der die Juden zu Gemeindeämtern für wahlfähig erklärenden Gesetze von 1828 … in unserm Lande der erste derartige Fall. … Hiergegen bemerkt das Frankfurter Journal, dass es nicht der erste Fall sei, denn im Dorfe Unterschwandorf … war mehrere Jahre lang … ein Israelit, namens Dessauer, Schultheiß ….“ Am 14. September 1846 heißt es dann in derselben Zeitung: „In No. 32 Ihres Blattes ist von einem israelitischen Bürgermeister und Gemeinderat in Pflaumloch … die Rede. Eine doppelte Unwahrheit! Denn fürs Erste gibt es bei uns gar keine Bürgermeister. Unter diesem Titel versteht man in der Regel den Vorstand einer Gemeinde, der aber bei uns Schultheiß genannt wird. Allein auch zu einem solchen ist die in Rede stehende Person nicht gewählt worden, sondern zum Gemeindepfleger, dem lediglich nur die Verwaltung der Gemeindekasse obliegt. Ferner ist dort kein Israelit zum Gemeinderat gewählt worden, sondern nur zum Bürgerausschusse.“ Diese Korrektur blieb dann unwidersprochen.

Insgesamt ergibt sich folgendes Bild: In den 1830er Jahren wurde mit Gottlieb Moses Dessauer in Unterschwandorf (Kreis Calw) erstmals in Württemberg ein Jude zum Bürgermeister gewählt. Allerdings war Unterschwandorf zunächst gar kein selbständiger Ort, sondern gehörte zum Städtchen Haiterbach. Dessauer war daher eher „Ortsvorsteher“ als „Bürgermeister“. Er unterschrieb auch wahlweise mit „Judenschultheiß“ oder „Schultheiß“, unter Umständen war er nur Vorsteher der großen jüdischen Gemeinde im Ort. 1834 wurde die bürgerliche Gemeinde Unterschwandorf erst gebildet, Gottlieb Dessauer wurde in den Gemeinderat gewählt, war aber nicht Bürgermeister. Möglicherweise zeitlich vor der Wahl von Abraham Herz zum Gemeindepfleger wurde Markus Ellinger/Ettlinger in Pflaumloch (Ostalbkreis) in dieses kommunale Wahlamt berufen. Allerdings war in Pflaumloch der Gemeindepfleger nicht Mitglied des Gemeinderats, sondern nur des beratenden Bürgerausschusses. Abraham Herz ist aber seit 31.12.1845 in Hochberg in seiner Funktion als Gemeindepfleger auch Mitglied des Gemeinderats gewesen. Mit Abraham Herz konkurriert somit offensichtlich Gottlieb Dessauer um den Titel, der erste jüdische Gemeinderat in Württemberg gewesen zu sein.

Zu Unterschwandorf: Martin Frieß: Leben in Armut, doch „in seltener Eintracht“ – Die jüdische Gemeinde in Unterschwandorf, in: Thorsten Trautwein (Hg.): Jüdisches Leben im Nordschwarzwald, Neulingen 2021, S. 201 u. 208.

Verwandte Beiträge

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner