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Hauptstraße 37, 71686 Remseck
Judentum

Henriette Dreifus

Henriette Dreifus

Samuel Dreifus (1804-1855) ist einer der bekanntesten ehemaligen Hochberger Juden des 19. Jh. Er war der Sohn des Hochberger Judenvorstehers Gabriel Dreifus (1763-1810), der 1805 den Hofschutz in Stuttgart erhielt und mit seiner Familie von Hochberg in die Landeshauptstadt umzog. Samuel studierte als erster Jude in Württemberg ab 1821 Medizin, praktizierte später als Arzt in Stuttgart, war Vorstand des Israelitischen Waisenhauses Wilhelmspflege in Esslingen und Israelitischer Oberkirchenrat. Diesen fast kometenhaften Aufstieg verdankte er eigenem Fleiß, aber auch seiner Ehe mit Henriette Benedict (1810-1882), die er spätestens 1830 heiratete. Henriette war Erbin des Bankhauses Benedict, das ihr Vater Moses Benedict (1772-1852) mit seinem Bruder Seligmann 1810 in Stuttgart gegründet hatte und das 1869 in der Württembergischen Vereinsbank aufging. Über ihre Mutter Flora von Geldern war Henriette eine Cousine zweiten Grades von Heinrich Heine. Henriette überlebte ihren Mann Samuel um 27 Jahre. Sie erfuhr eine intensive musikalische Ausbildung in ihrer Herkunftsfamilie. Die Familie Benedict war kulturell sehr engagiert, Moses Benedict war 1807 Mitbegründer der Stuttgarter „Museums-Gesellschaft“, einem Verein, der sich die Pflege von Bildender Kunst und Musik zur Aufgabe gemacht hatte. Henriettes Bruder war der Komponist Julius Benedict (1804-1885).
Das Ehepaar Samuel und Henriette Dreifus veranstaltete regelmäßig Soiréen mit Bildender Kunst und Musik, in denen Henriette Dreifus auch als Sängerin auftrat. In einem Nachruf hieß es 1882, Henriette Dreifus sei „musikalisch vortrefflich begabt, sie hatte einst eine schöne Sopranstimme und hat selbst ansprechende Lieder komponiert; in früheren Jahren vereinigte ihr Haus einen auserwählten musikalischen Kreis.“ Die Soiréen fanden in der Königstraße 25, dem Sitz des Bankhauses Benedict in Stuttgart statt. Henriette Dreifus veröffentlichte vier Liedersammlungen, von denen zwei 1846/47 erschienen, zwei dreißig Jahre später, 1876/77. Am 30.10.1847 schrieb die „Wiener Allgemeine Musikzeitung“: „Im Verlage der hiesigen Hallberger’schen Verlagshandlung sind sechs Lieder für Pianoforte, komponiert von Henriette Dreyfus, geb. Benedict, erschienen. Die Komponistin ist die Schwester des berühmten Kompositeurs Benedict und die Gattin des durch seine Humanität und Freundlichkeit allgemein bekannten und geachteten Herrn Dr. Dreyfus, der in seinem Hause oft die Notabilitäten der hiesigen Kunstwelt versammelt und auf diese Weise der Kunst auch im geselligen Kreise eine gastliche Stätte öffnet. Was die Komposition der Lieder betrifft, so ist diese eine leichte und gefällige und von echter musikalischer Befähigung zeugend.“ 1876 erschienen „Sechs Lieder in schwäbischer Mundart für eine Singstimme mit Clavierbegleitung“ bei Ebner in Stuttgart. Die „Neue Zeitschrift für Musik“ schrieb am 18.8.1876: „Das liebe gemüthliche Schwabenland hat schon so manches treuherzige Lied erzeugt, das Gemeingut, Lieblingslied des ganzen deutschen Volkes geworden. Auch das vorliegende Heft enthält schöne lyrische Tonblüthen. Einfach im Volkston gehalten mit leicht ausführbarer Begleitung, werden sie im häuslichen Kreise eine willkommene Gabe sein.“
Henriette Dreifus starb am 18.01.1882 in Stuttgart und wurde auf dem Hoppenlaufriedhof beigesetzt. Der markante Grabstein des Doppelgrabes von Samuel und Henriette Dreifus ist recht gut erhalten. Das Ehepaar hatte sieben Kinder: Bertha (1830-1863 verh. Haas, Sohn Hermann Julius Haas ist der Verleger und Gründer des „Mannheimer Morgens“), Theodor von Dreifus (1839-1899, in Österreich zum Freiherrn erhoben), Robert, Rosa (1832-1902, verh. Saurma von der Jeltsch), Franziska (verh. Donnenberg), Emilie (1834-1880, verh. von Einsiedel) und Pauline (verh. Latour, gest. vor 1879).

Literatur:
Silke Wenzel: Henriette Dreifus,  (Musik und Gender im Internet).
Joachim Hahn: Friedhöfe in Stuttgart, 2. Band: Hoppenlau-Friedhof. Israelitischer Teil, Stuttgart 1988, S. 36 u. 39f.
Gertrud Bolay: Jüdischer Alltag in Hochberg, Remseck 2001, S.29-42.
Eberhard von Georgii-Georgenau: Biographisch-genealogische Blätter aus und über Schwaben, Stuttgart 1879, S. 268.

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