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Judentum

Jüdisch-christliche Mischehen in Württemberg

Jüdisch-christliche Mischehen in Württemberg

Wenn die jüdische Gemeinde Hochberg im 19. Jahrhundert einen neuen Lehrer für die jüdische Schule, einen Vorsänger für die Gemeinde oder Empfänger für die Ausschüttungen der örtlichen jüdischen Stiftungen suchte, schaltete sie in der Wochenzeitung „Der Israelit“ ein Inserat. „Der Israelit“ war eine jüdische Wochenzeitschrift, die vom 1860 bis zum Verbot durch die Nationalsozialisten 1938 erschien. Damit positionierten sich die Hochberger Juden innerhalb der Strömungen des deutschen Judentums klar, denn „Der Israelit“ war das Sprachorgan des orthodoxen Judentums. Das reformorientierte liberale Judentum hatte ebenfalls eine Wochenzeitung, die „Allgemeine Zeitung des Judentums“, die eine wesentlich höhere Auflage hatte als „Der Israelit“. Dort inserierte man aber nicht.

In der Ausgabe vom 24.02.1864 fand sich jetzt kein Inserat, sondern ein entsetzter Bericht über die Positionierung der jüdischen Familien in Hochberg in einer damals strittigen Frage: Seit 1860 hatte die württembergische Regierung die Position vertreten, dass „bürgerliche Ehehindernisse wegen Verschiedenheit der Religion“ aufgehoben werden sollten. Die „Israelitische Oberkirchenbehörde in Württemberg“ legte hierzu 1863 ein Gutachten vor, das unter Vorsitz liberaler Rabbiner erstellt worden war: „Durch die Heirat eines Juden oder einer Jüdin mit einer Christin oder einem Christen wird kein mosaisches Gebot übertreten. Ebensowenig wird durch eine solche Ehe ein Gebot des Talmud verletzt“, hieß es darin. Die orthodoxen Juden bestritten diese Auslegung vehement. Ende 1863 passierte ein die Mischehe erlaubender Gesetzentwurf knapp die 2. Kammer des württembergischen Landtags, wurde aber dann in der 1. Kammer (Ständekammer) ebenso knapp Anfang 1864 zurückgewiesen. Den Landtag erreichten zahlreiche Petitionen christlicher und orthodoxer jüdischer Gemeinden, die sich gegen die Mischehe aussprachen, aber auch Gegenpetitionen liberaler jüdischer Gemeinden, die die Mischehe befürworteten. Im „Israelit“ werden die Petitionen für die Mischehe den jüdischen Gemeinden zugeordnet und der Verfasser wundert sich nicht über Petitionen aus Jebenhausen (heute Stadtteil von Göppingen), da der dortige Rabbiner auch einen Lehrer per Inserat suche, der „die Orgel oder das Harmonium“ im Gottesdienst spielen könne (Orgel im Gottesdienst galt als ein typisches Erkennungsmerkmal liberaler Gemeinden und wurde von orthodoxen Juden abgelehnt). „Wie kommt aber Hochberg unter diese Reformgemeinden, da Mutterort und Rabbinatssitz Freudenthal zur gesetzestreuen Gemeinde zählt? Warum wünschen 22 Hochberger Israeliten eine Vermischung des jüdischen Blutes mit dem germanischen …?“, fragt der Verfasser. Er spekuliert dann, dass „Oppositionsgelüste des Filials gegen den Mutterort“ ursächlich sein könnten. Bei dieser zentralen Streitfrage der 1860er Jahre haben sich die Hochberger Juden jedenfalls von der bisherigen orthodoxen Linie mit großer Mehrheit abgewandt.
Die Mischehe wurde schließlich nicht durch Landesgesetz, sondern durch Reichsgesetz erlaubt. Im Norddeutschen Bund war die Mischehe 1869 legalisiert worden. Mit den Novemberverträgen 1870, mit denen die süddeutschen Staaten dem Bund beitraten und ihn zum „Deutschen Reich“ erweiterten, wurde diese Rechtslage ab Anfang 1871 dann auch in Württemberg gültig.  Die erste jüdisch-christliche Mischehe in Hochberg kam aber wohl erst 1878 zustande: Isak Rescher aus der Hauptstraße 13 heiratete die evangelische Katharina Hemminger aus Poppenweiler.

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