
Johann Gottlieb Jauß
Letzte Woche haben wir die Templer auf dem zu Hochberg gehörenden Kirschenhardthof vorgestellt. Persönliches Bindeglied zwischen den Templern und Hochberg war Johann Gottlieb Jauß (1809-1881), der von 1840 bis 1857 Lehrer der Volksschule in Hochberg war. Jauß wurde 1809 in Esslingen geboren, wuchs in Waiblingen auf, besuchte das Lehrerseminar in Esslingen und erhielt eine erste Vertretungsstelle als Lehrer in Unterurbach bei Schorndorf. Dort lernte er auch seine Frau Pauline Gottliebin Ansel kennen, die er 1838 heiratete. Ab 1840 trat er in Hochberg seine erste feste Stelle als Lehrer an. Das Ehepaar Jauß hatte sechs Töchter und einen Sohn. Mindestens die jüngsten vier sind in Hochberg geboren. Der Pietist Jauß leitete an Sonntagabenden Bibelstunden in Hochberg und hatte seit 1849 Kontakt zu Lehrern der „Wissenschaftlichen Bildungsanstalt am Salon“ (heute Salonwald Ludwigsburg, damals Kornwestheim). Die von Beate Paulus, einer Tochter des „Mechaniker-Pfarrers“ Philipp Matthäus Hahn gegründete Schule (sie bestand von 1837-1879) war eine pietistische Lehranstalt, an der auch Christoph Hoffmann, der Gründer der Templer und Schwiegersohn der Beate Paulus unterrichtete. 1854 rief Hoffmann zur Auswanderung nach Palästina auf, „um daselbst mit allen frommen Juden und Katholiken das Gesetz des Moses zu erfüllen“. Auch Jauß trat den „Jerusalemfreunden“ in diesem Jahr bei. Die sich auch „Templer“ nennende Gemeinschaft kaufte 1856 den Kirschenhardthof, um sich dort mit landwirtschaftlichen Projekten auf die Auswanderung vorzubereiten. Auch eine eigene Volksschule wurde 1856 dort gegründet. Als der erste Lehrer Louis Höhn schon 1857 starb, gab Jauß seine gesicherte Stellung in Hochberg auf und zog mit seiner Familie auf den Kirschenhardthof, um die Schule dort zu leiten. Schwere Verwerfungen gab es auf dem Hof um seine älteste Tochter Pauline (1839-1869), die an epileptischen Anfällen litt und schließlich auf dem Hof verstarb. Ob Exorzismen, verschärftes Fasten, Wachen, Beten und häufiger Genuss des Abendmahls zur Heilung beitragen können, spaltete die Gemeinschaft. 1873 wanderte Jauß mit seiner Frau und den Töchtern Klara, Lydia und Beata nach Palästina aus. Er war zunächst Lehrer bei der Templergemeinde in Jaffa, ab 1878 dann in Jerusalem, wo er 1881 starb. Sein Grab findet sich noch heute mit gut erhaltenem Grabstein auf dem Jerusalemer Templerfriedhof. Von Jauß ist ein Foto (um 1880) erhalten, das ihn mit seiner Hand in der Jacke zeigt – eine beliebte Haltung bei Porträts im 19. Jh.: Sie sollte Selbstkontrolle, Würde, Bildung und Führung zum Ausdruck bringen.
Seine Frau Pauline starb 1889 ebenfalls in Jerusalem. Die jüngste Tochter Beata heiratete 1884 den Sohn des Gemeindegründers Christoph Hoffmann II., der von 1890 bis 1911 Vorsteher der Templergemeinschaft war und starb 1916 in Jerusalem. Lydia starb 1930 in Sarona, heute ein Stadtteil von Tel Aviv. Klara war in Haifa verheiratet, wo sie 1919 starb.
Zwei Jauß-Kinder aus Hochberg folgten der Familie nicht nach Palästina: Emma (1840-1933) heiratete 1863 einen Mennoniten und folgte ihm in die deutsche Siedlung Tempelhof im Nordkaukasus ins Zarenreich. Gustav Adolf (1844-1908) ließ sich 1867 ein Zeugnis des Hochberger Gemeinderats für die Auswanderung in die USA ausstellen. In Chicago ist er 1908 gestorben. Nachkommen der „Palästinatöchter“ leben heute in Australien, wohin die britische Mandatsregierung in Palästina nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die deutschen Templer deportierte, da diese mit dem Nationalsozialismus sympathisierten.
Foto: Archiv der Tempelgesellschaft Stuttgart