Abraham-Herz-Rundgang durch Hochberg
Am Sonntag, den 23. April 2023 gab es den ersten perspektivischen Rundgang auf jüdischen Spuren durch Remseck-Hochberg. Kai Buschmann führte als Abraham Herz durch den Ort. Zeitschnitt war das Jahr 1870, als Herz nach 72 Lebensjahren in Hochberg nach Karlsruhe wegzog. Von 1845 bis 1870 war der Viehhändler und Kaufmann Gemeinderat in Hochberg. 1845 war er der erste Jude, der im Königreich Württemberg in ein solches Amt gewählt wurde. 2018 entschied der Remsecker Gemeinderat, eine Straße nach Abraham-Herz im Baugebiet „Brunnenstraße“ zu benennen.
Ein weißes Stehkragenhemd als Ausdruck der Seriosität, eine Weste, ein Stock und ein Hut waren Erkennungszeichen von Viehhändlern im 19. Jahrhundert. Die Familie Herz war in den 1770er Jahren aus dem badischen Diedelsheim (heute Bretten) nach Hochberg gekommen. Abraham Herz hatte 14 Geschwister, die das Erwachsenenalter erreichten und selbst zahlreiche Kinder hatten. So war der Name Herz in Hochberg, das 1850 nur 800 Einwohner hatte, bald weit verbreitet. Abraham Herz heiratete 1822 Zierle Falk. Das Paar hatte sieben Kinder, die das Erwachsenenalter erreichten. 1837 bewarbt sich Herz als erster der ehemaligen Schutzjuden für das Hochberger Gemeindebürgerrecht. Im Gemeinderatsprotokoll ist hierzu zu lesen: „Herz besitzt großes Vermögen und ganz gute Prädikate, so dass ihm durchaus nichts Böses und Nachteiliges zur Last gelegt werden kann. Unter dem Schacherhandel ist er nicht begriffen, er treibt nichts als den Viehhandel und Lieferungsgeschäfte zum Militär.“ Bei der Vorlage des Gesuches im Gemeinderat hatte es „allerlei Debatte gegeben, namentlich es wurde der Grund aufgeführt, wenn man dieselben als Bürger aufnimmt, werden später Juden zum Gemeinderat gewählt werden, doch hängt dieses von der Wahl der Bürger ab und kann als kein Hindernis betrachtet werden.“ Genau dies geschah 1845: Herz kandidierte für das Wahlamt des Gemeindepflegers (Kämmerers), das mit einem Sitz im Gemeinderat verbunden war. Er erhielt 32 von 84 abgegebenen Stimmen und hatte damit die meisten Stimmen auf sich vereint. Ein Problem war die Handhabung der jüdischen Feiertage und Herz sagte zu, „an seinen Fest- und Sabbattagen einen gesetzlichen Amtsverweser zu bestellen, der das Nötige besorgt, so dass die Gemeindepflege durchaus keinen Nachteil haben solle.“ Das Protokoll bezeugt auch, warum Herz besonders geeignet für das Amt war: Herz sei „im Lesen, Schreiben und Rechnen erfahren, (führe) einen sittlichen Lebenswandel (und besitze) ein Vermögen von 36.000 Gulden, so dass ihm die Kasse ohne Gefahr anvertraut werden kann. (…) Endlich (könne er) weder mit dem Vorstand noch mit den Gemeinderatsmitgliedern (…) verwandt sein.“ Das Judesein gekoppelt mit dem Mischehenverbot (bis 1871) und sein Wohlstand als erfolgreicher Viehhändler wurden ihm im Sinne einer Nichtkorrumpierbarkeit positiv ausgelegt.
Vermutlich spielte Herz eine große Rolle in den 1850er und 1860er Jahren beim gelingenden Zusammenleben von Juden und Christen im Ort. Dass 1854 über dem Portal der evangelischen Schlosskirche ein Davidstern angebracht wurde und der Neubau der Schlosskirche auf die 1828 fertiggestellte Synagoge ausgerichtet wurde, um ein öffentliches Zeichen des guten Zusammenwirkens zu liefern, geht möglicherweise auf sein Wirken zurück. Zwischen 1850 und 1870 hatte sich die Zahl der Juden in Hochberg aber trotzdem von 300 auf 150 halbiert. Der Eisenbahnbau verlagerte den Handel an Orte entlang von Bahnstrecken. Hochberg lag plötzlich im wirtschaftlichen Abseits. Karlsruhe hingegen war ein Zentrum des damaligen jüdischen Lebens mit einer Gemeinde von über 2000 Mitgliedern. Der bildungsbeflissene Abraham Herz wollte mit seiner Frau einen stadtbürgerlichen Lebensabend verbringen. 1876 verstarb er in Karlsruhe.