Jedes Jahr am 9. November gedenkt Beth Shalom in der ehemaligen Hochberger Synagoge der NS-Verfolgten aus Hochberg. Jüdinnen und Juden, die in Hochberg geboren wurden oder zeitweise in Hochberg gelebt haben:
Fanny Kusiel
Fanny Kusiel wurde als Fanny Gutmann am 4. Januar 1869 im bayerischen Ichenhausen, einem Ort mit einer großen jüdischen Gemeinde, geboren. Sie heiratete den 1866 in Hochberg geborenen Salomon Kusiel und zog zu ihm nach Hochberg.
Fanny und Salomon Kusiel hatten drei Kinder, die später in die USA emigrieren bzw. in den Niederlanden untertauchen konnten (Alice geb. 1893 in Hochberg, Peppi geb. 1899 in Hochberg, Siegfried geb. 1901 in Hochberg). Sie haben so den Holocaust überlebt. Die Tochter Alice hat für ihre Enkelkinder in den USA ihre Lebenserinnerungen aufgeschrieben. Daher wissen wir, dass Fanny und Salomon Kusiel mit ihren Kindern in einer Mietwohnung im Dachgeschoss des Alten Rathauses in der Hochberger Hauptstraße 24 wohnten. Salomon Kusiel pendelte längere Zeit mit einer Kutsche täglich zu seinem Geschäft für Textilwaren, Pferde und Futtermittel nach Ludwigsburg bevor die Familie 1905 ganz nach Ludwigsburg umzog, auch um den Kindern eine höhere Schulbildung zu ermöglichen.
Zum 1. Oktober 1938 musste Salomon Kusiel sein Geschäft in Ludwigsburg aufgeben. Salomon und Fanny Kusiel wanderten im Januar 1939 zu ihrem Sohn Siegfried nach Rotterdam aus, um der Verfolgung zu entgehen. Siegfried, der bereits früher in die Niederlande gezogen war, berichtete zwanzig Jahre später: „Meine Eltern habe ich zu mir kommen lassen, weil ein menschenwürdiges Leben für sie im damaligen Deutschland nicht mehr möglich war.“ Fanny und Salomon hätten „alle Möbel hinterlassen müssen und alle Wertgegenstände wie Gold, Silber, Schmuck einliefern müssen.“
In Rotterdam starb Salomon Kusiel am 20. Juni 1940 sechs Wochen nach der deutschen Besetzung 76jährig. Als Todesursache wird „Herzleiden“ angegeben. Fanny Kusiel, seine Witwe, lebte von 1940 bis 1943 in Edam in den Niederlanden. Sie wurde am 23. April 1943 ins Konzentrationslager Vught und am 9. Mai 1943 ins Konzentrationslager Westerbork eingeliefert. Von dort wurde sie zwei Tage später am 11. Mai 1943 ins Vernichtungslager Sobibor in Polen deportiert, wo sie am 14. Mai 1943, also vermutlich gleich nach der Ankunft, ermordet wurde. In Sobibor wurden schätzungsweise 250.000 Juden in Gaskammern umgebracht, darunter 33.000 aus den Niederlanden.
Fannys und Salomons Sohn Siegfried konnte 1942 in den Niederlanden nach vier Tagen Haft und Misshandlungen durch die SS unter falschem Namen untertauchen und hat so die deutsche Besatzungszeit überlebt.
Möge ihre Erinnerung ein Segen sein!