Taharahäuschen
Ein Taharahäuschen auf dem jüdischen Friedhof in Hochberg
Zum jüdischen Bestattungsritual gehört die Waschung des Leichnams mit lauwarmem Wasser kurz vor der Beerdigung. Ein Toter muss im Status der „rituellen Reinheit“ (hebräisch Tahara) beigesetzt werden. Die erste Handlung, die mit einem Säugling nach der Geburt vollzogen wird, ist die Waschung mit lauwarmem Wasser. Dies aufgreifend soll auch die letzte Handlung an einem Menschen eine solche Waschung sein. Sie muss spätestens drei Stunden vor der Bestattung vorgenommen werden. Daher haben jüdische Friedhöfe, auf denen auch auswärtige Bestattungen stattfinden, hierfür ein spezielles Taharahäuschen. Die Chewra Kadischa, eine Bestattungsgesellschaft der jüdischen Gemeinde, führt die Handlung aus. Mindestens vier Personen müssen die Waschung vornehmen, wobei Männer männliche und Frauen weibliche Leichname waschen.
Ein solches Bauwerk ist sehr schlicht und beherbergt einen Taharatisch mit einer leicht geneigten Steinplatte, so dass das Wasser sich in einer umlaufenden Rinne sammeln und ablaufen kann. Im Haus befindet sich meist ein kleiner Brunnen. Um das Wasser im Gebäude auf die vorgeschriebene Temperatur zu erwärmen, gibt es einen kleinen Ofen.
In Hochberg auf dem jüdischen Friedhof fehlte bisher jede Spur des Häuschens, obwohl es zahlreiche auswärtige Bestattungen gab. Ulrike Sill konnte bei ihrer Dokumentation des Friedhofs 2003 kein Gebäude nachweisen. Vor ein paar Jahren hat der Remsecker Bauhof die Friedhofsmauer an der Nordwestecke der Anlage ausgebessert. Dazu wurde das Gebüsch in dieser Ecke des Friedhofes gerodet. In einer anschließenden Begehung konnte ich die Fundamente des Gebäudes in der Friedhofsecke nachweisen. Eine sehr alte Hochbergerin konnte sich 2018 auch daran erinnert, dass hier bis in die 40er Jahre ein kleines Häuschen mit geziegeltem Satteldach gestanden habe.
Offensichtlich wurde das Gebäude bei der Wiederherstellung des Friedhofs 1946 nicht wieder errichtet, sondern die Steine für die Reparatur der Friedhofsmauer verwendet wie auch einige zerbrochene Grabsteine, die man in den 80er Jahren bei einer Mauerrenovierung darin gefunden hat. Die amerikanische Militärregierung hatte am 15.01.1946 die Wiederherstellung des Friedhofs befohlen: „Die Gräber sind wiederherzustellen, umgeworfene Grabsteine sind wiederaufzurichten, … die Mauer ist zu reparieren.“ Das Taharahäuschen wird im Befehl nicht erwähnt.
Durch die Entfernung des Gebüsches wurde auch ein Grabstein in dieser Ecke des Friedhofs sichtbar, der an der Mauer neben den Fundamenten des Häuschens lehnt. Er ist in Ulrike Sills Dokumentation auch nicht verzeichnet. Leider ist nur die letzte Zeile einer hebräischen Inschrift lesbar: „Möge seine Seele eingebunden sein in das Bündel des Lebens“ ist der klassische Abschluss einer jüdischen Grabinschrift. Der Stein lässt sich somit bisher nicht einer Person zuordnen.
Die Stadt Remseck hat beim Regierungspräsidium eine finanzielle Förderung beantragt, mit der das Fundament des Häuschens wieder deutlich sichtbar gemacht werden soll. Anfang März wird der Rabbiner der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg den Friedhof besuchen. Das Taharahäuschen wird Thema sein. Auf dem ebenfalls in der NS-Zeit zerstörten jüdischen Friedhof in Neckarsulm wurde sogar das gesamte Taharahäuschen wieder hergestellt (siehe Foto).