Am Schloss 5 und Bär Jakob Berlinger
Das Haus Am Schloss 5 in Hochberg war von 1802 bis 1902 in Besitz jüdischer Familien: 1802 erwarben Samuel Leopold und Abraham Jakob das ehemalige Schulmeisterhaus je zur Hälfte. 1838 wurde es an den Viehhändler Baruch Einstein weiterverkauft. Bereits zwei Jahre später erwarb es der Kleinhändler Marx Judas Anschel. Von ihm ging das Gebäude 1865 an Bär Jakob Berlinger und seine Töchter Auguste und Bertha über. Bär Jakob Berlinger verstarb bereits 1867. Bertha wanderte 1866 nach Amerika aus. So bewohnte Auguste Berlinger das Haus zunächst mit ihrer Mutter Helene (gest. 1888) und dann bis zu ihrem Tod 1902 alleine.
Bär Jakob Berlinger war eine interessante Persönlichkeit: Der Sohn eines Rabbiners versah angesehen und erfolgreich von 1816 bis 1830 die Stelle des Vorsängers, Schächters und Lehrers bei der jüdischen Gemeinde in Ludwigsburg. Da er die Ausbildung am jüdischen Lehrerseminar in Esslingen nicht nachweisen konnte, wurde er in Folge des württembergischen Israelitengesetzes von 1828 aus dem Dienst entfernt und zog grollend von Ludwigsburg nach Hochberg um. In Hochberg veranlasste die jüdische Gemeinde 1833 eine „Kreuzersammlung“ für Berlinger, da er „ohne eigenes Verschulden, ganz unverdient, verfassungswidrig und gegen jüdischen Ritus“ entlassen wurde.
1839 übertrug ihm die Israelitische Oberkirchenbehörde in Stuttgart – vielleicht als eine Art Wiedergutmachung – eine besondere Aufgabe: Er wurde nach Livorno in Italien geschickt, um beim dortigen Rabbinatskollegium einen besonderen Teil des Schächtens, das Porschen, zu lernen und eine Prüfung abzulegen. Beim Porschen geht es vor allem um die fachmännische Entblutung von Fleisch nach dem Schlachten. Die Israelitische Oberkirchenbehörde investierte 525 Gulden in Reise und Ausbildung – ein stattlicher Betrag. Ab 1841 gab Bär Jakob Berlinger in Stuttgart als Multiplikator seine Kenntnisse in Kursen weiter. Neben Vertretern württembergischer jüdischer Gemeinden sind auch Teilnehmer aus Baden und Sachsen-Meiningen belegt. Sogar ein Vertreter der jüdischen Gemeinde aus Brüssel nahm teil. Auch durch Bär Jakob Berlinger erwarb sich Hochberg den Ruf, ein Ort ausgezeichneter jüdischer Metzger zu sein.