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Judentum

Akiva Weingarten in der ehemaligen Synagoge in Hochberg

Akiva Weingarten in Hochberg

Am  Sonntag stand Akiva Weingarten, Aussteiger aus der ultraorthodoxen Gemeinde der Satmarer Chassidim, Buchautor und Rabbiner in Basel und Dresden in der ehemaligen Synagoge Rede und Antwort. Weingarten las aus seinem Buch „Ultraorthodox. Mein Weg“, unterbrach aber immer wieder, um auf Fragen aus dem Publikum einzugehen. Der Rabbi las zunächst den Abschnitt über das Abscheren, jiddisch Upscherin: Am dritten Geburtstag eines Kindes versammelt sich die Familie zur Haarschneide-Zeremonie. Nur die Pejot des Kindes, die Schläfenlocken, werden nicht abgeschnitten. Weingarten erläuterte, wie aus 3. Mose 19,27 („Ihr sollt euer Haar am Haupt nicht rundherum abschneiden“) eine solche Tradition entstehen konnte. Die enge abgrenzende Welt der Chassidim in New York Williamsburg, in der er aufwuchs, machte er immer an Beispielen deutlich: So gibt es ein „koscheres Internet“, durch das der Zugang zur Außenwelt zensiert wird. „Wie konnten Sie sich aus dieser alles kontrollierenden und regelnden Gemeinschaft lösen?“ wollten Besucher wissen. Weingarten verwies auf seinen Wissensdrang und sein argumentatives Hinterfragen seit Kindestagen. „Mit „Man sagt“-Antworten konnte ich nichts anfangen und ich wurde immer kritischer“. „Argumentieren und Hinterfragen war aber nicht gewünscht und so bin ich mit Ende 20 ausgestiegen.“
Zunächst wollte Weingarten Medizin studieren und kam wegen der günstigen Studienbedingungen nach Deutschland. Auch dachte er, dass seine Muttersprache Jiddisch ihm das Erlernen der deutschen Sprache erleichtere. In einem langen Prozess söhnte er sich mit seiner religiösen Tradition aus und bezeichnet sich heute als „liberal-chassidisch“. Radikal formuliert er über seine Zeit in der ultraorthodoxen Gemeinde: „Ich hatte manchmal das Gefühl mental vergewaltigt zu werden, aber gezwungen zu sein, mich mehrfach am Tag mit meinem Vergewaltiger, den die Gemeinschaft Gott nannte, treffen zu müssen, um ihn anzubeten und zu loben.“ Heute vertrete er ein anderes Gottesbild und ein anderes Regelverständnis: Die Befreiung von Unterdrückung stehe für ihn im Vordergrund.
Weingarten führte auch in die verschiedenen Strömungen im Judentum ein und stellte die Strömungen in Deutschland (orthodox, konservativ, liberal) vor. Die Ultraorthodoxen seien in Deutschland fast nicht vorhanden, in Israel und lokal auch in den USA aber relativ große Gruppen. Das Judentum in seinen vielen Facetten dürfe mit ihm nicht gleichgesetzt werden, was immer wieder in den Medien passiere, weil die Ultraorthodoxen mit Shtreimel (Pelzkappe) fotogene Objekte seien.
Offenheit statt Abgrenzung ist heute das Anliegen von Weingarten, der in Dresden mit seiner Frau Rosa 2017 die Besht Yeschiva gegründet hat: Weingarten unterstützt junge jüdische Menschen, die aus ultraorthodoxen Gemeinschaften ausgestiegen sind, sich außerhalb der Gemeinschaften zu integrieren aber weiterhin mit dem Judentum verbunden zu bleiben. Die Besht Yeshiva ist ein einzigartiges Modellprojekt: Junge Frauen und Männer werden bei der beruflichen Integration in die deutsche Gesellschaft begleitet und unterstützt. Danke an Akiva Weingarten für einen wunderbaren Abend.

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