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Judentum

1848 und die Jagd in Hochberg

1848 und die Jagd in Hochberg

2023 haben wir über die 1848er-Revolution in Hochberg ausführlich berichtet. 175 Jahre lagen die Ereignisse in Deutschland damals zurück, was ein Anlass für viele Rückblicke in diesem Jubiläumsjahr war. Ergebnis bezüglich Hochberg war, dass es in Hochberg nicht um „antijüdische Krawalle“ (Stefan Rohrbacher) ging, sondern um einen typischen württembergischen Kommunaltumult, bei dem sich der Zorn der Bürger im Streit um Holzrechte und Pachtzahlungen gegen Schultheißen und Gemeinderat richtete. Im Juni 1848 begannen die Attacken gegen Schultheiß Johann Georg Döbele, den jüdischen Gemeindepfleger Abraham Herz und einzelne Gemeinderäte. Der Konflikt eskalierte bis April 1849. Gemeinderat Dohl erklärte seinen Rücktritt mit der Begründung, dass „der größte Teil der hiesigen Einwohner verlange, die alten Gemeinderäte sollten austreten, und deshalb, wie ich weiß, eine Schrift verfasst worden ist, überhaupt derzeit allerlei Schmähungen durchzumachen ist.“ Am 23. April 1849 trat auch Schultheiß Döbele zurück. Worum es in der in Hochberg kursierenden Schrift gegen Schultheiß und Gemeinderat genau ging, wusste man bisher nicht. Nun fand sich in der Tageszeitung Schwäbischen Merkur vom 19.01.1849 folgende Notiz: „Hochberg. Die fliegenden Blätter, welche am Montag dem 12. Januar in Hochberg zum Vorschein gekommen sind, sollen am Samstag im Eulenspiegel eine weitere illustrierte Erläuterung erhalten, womit die Schande, welche die Verfertiger derselben damit ihrem Nebenmenschen anthun wollten, auf sie selbst mit Interessen zurückfallen wird.“ Verfasser dieser Nachricht wird wohl Schultheiß Döbele gewesen sein. Mit dem „Eulenspiegel“ ist die gleichnamige Satirezeitschrift gemeint, die seit Januar 1848 von Ludwig Pfau in Stuttgart wöchentlich herausgegeben wurde. Pfau brachte mit dem Eulenspiegel das erste politische Karikaturenblatt in Deutschland heraus. Die meisten politischen Karikaturen, die noch heute in Schulbüchern zur 1848er-Revolution abgebildet sind, stammen aus dieser Zeitung.
Die Notiz im Schwäbischen Merkur erschien am Freitag, den 19.01.1849. Der Eulenspiegel erschien immer samstags. Es geht also um die Eulenspiegel-Ausgabe vom 20.01.1849. Die Angabe zur Verteilung des Flugblattes in Hochberg ist falsch: Der 12.01.1849 war ein Freitag. Die Verteilung erfolgte also entweder am Freitag, den 12.01.1849 oder am Montag, den 15.01.1849.

Die Eulenspiegel-Ausgabe vom 20.01.1849 enthält fünf Karikaturen und zwei Texte. Nach der Zeitungsnotiz geht es um eine „illustrierte Erläuterung“ des Hochberger Flugblattes, also um eine Karikatur. Bei vier der fünf Karikaturen geht es um die nationale Frage, die Paulskirche, die Pressefreiheit in Baden und die Zurückdrängung der Demokraten durch die wiedererstarkten Fürsten. Als „illustrierte Erläuterung“ kommt nur die Karikatur zum neuen Jagdgesetz in Frage. Hier ging es um eine Zeitenwende beim Jagdrecht: Bisher lag das Jagdrecht ausschließlich beim Adel, jetzt sollte jeder Grundeigentümer auf seinem Besitz jagen können, egal wie groß dieser war. Die Karikatur stellt ein entsprechendes „Vorgartenchaos“ dar: Jäger schießen wild durcheinander auf allerlei Insekten und Schnecken. Tatsächlich stieg die Zahl der Jagdunfälle durch diese Reform stark an und der Wildbestand ging drastisch zurück. Da die Hochberger Auseinandersetzung 1848/49 darum kreiste, wer Nutzungsrechte im Hochberger Wald hatte, ist es naheliegend, dass auch die allgemeine Jagd in einem Flugblatt gefordert wurde. Die Gegner dieser Regelung befürchteten anarchische Zustände und verwiesen auf die Karikatur im Eulenspiegel. Vermutlich haben sie die Intension der Karikatur aber nicht verstanden. Der Eulenspiegel war demokratisch ausgerichtet und unterstützte den Abbau adliger Sonderechte. Die Karikatur versucht eher die Befürchtungen der Gegner einer allgemeinen Jagd lächerlich zu machen.

Karikatur: Eulenspiegel vom 20.01.1849, Digitalisat Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar.

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